Neubewertung von Gefühlen

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Bao
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Neubewertung von Gefühlen

Beitrag von Bao »

Ich habe einen Artikel gelesen, darin ging es um einen neuen Ansatz Ängste und Blockaden aufzulösen. Neubewertung von Ängsten. Aber es lässt sich auch auf andere Gefühle übertragen.

Im Kern ging es darum, dass Angst (oder andere Emotionen) immer aus einem Gefühl mit einer Ursache besteht, plus Gedanken die wir uns dazu machen und die nun das Gefühl entweder bestätigen oder transformieren. Also eine Wechselwirkung und ja, soweit logisch.

Wenn ein Mensch nun Angst hat, fühlt er diese Angst. Und in seinen Gedanken bestätigt er die Angst "ich habe Panik" zum Beispiel. Nun dreht man sich damit aber tiefer ein ins Gefühl. Und verstärkt es damit sogar. Man begründet die gefühlte Handlungsunfähigkeit zusätzlich in den Gedanken und im schlimmsten Fall folgt eine Starre. Denn der Gedanke ist fast so etwas wie ein Befehl an das Gehirn, emotional so zu reagieren.

Wenn man sich nun sagt "ich habe keine Angst" dann ist das auch nicht hilfreich, weil es ja nicht stimmt. Gedanken und Gefühle treten in einen Widerstand zueinander. Das Gefühl wird im schlimmsten Fall unterdrückt und wütet unsichtbar vor sich hin und man kommt nicht mehr gut bewusst dran.

In dem Artikel wurde beschrieben, wie es einen anderen Weg geben kann. Und zwar in dem man das Gefühl neu benennt, ohne es zu unterdrücken, es also weiter bewusst zu fühlen aber auch ohne sich einzudrehen. Da wurde auf Ängste bezogen zum Beispiel gesagt "ich bin aufgeregt". Weil Angst eine Art Aufregung ist und Aufregung selbst nicht negativ bewertet. Auch wenn man sich freut, ist man aufgeregt. Der Körper fühlt also Angst, der Mensch sagt sich "ich bin aufgeregt" und das Gefühl reagiert darauf mit Bestätigung gesehen zu werden, nicht unterdrückt zu sein, gefühlt zu werden. Aber es baut sich keine Blockade auf, der Mensch bleibt beweglich MIT seinem Gefühl und das Gefühl selbst wird nicht größer.

Angst selbst hat etwas lähmendes und bedrohliches, das im Kopf bestätigt wird. Aufregung hingegen ist einfach nur eine Reaktion auf eine Sache, die man trotzdem macht. So verstehe ich das.

Ich finde den Ansatz sehr logisch und nachvollziehbar. Natürlich geht es nicht um Ängste, die tatsächlich vor Bedrohung warnen. "Aufgeregt" in einen Abgrund zu stürzen ist ja nicht der Sinn der Sache.

Mich würde interessieren, was ihr dazu denkt.
Und auch, ob es weitere Gefühle gibt, die umformuliert werden können, ohne sie damit zu negieren.

Ich habe mir leider nicht notiert wie die Technik heißt und finde den Artikel nicht wieder. Vielleicht kennt ja sogar jemand diese Methode.
Eli

Re: Neubewertung von Gefühlen

Beitrag von Eli »

Hallo bao

Ganz kurz: uns triggert das.
Angst ist Angst und darf auch Angst genannt werden.
Aufregung ist für uns etwas ganz anderes.
Dinge verdreht oder anders benannt haben bei uns Täter schon genug... :roll:
Sehe auch die Gefahr dass man da total verwirrt wird...bei Aufregung plötzlich Angst bekommt etc.

Ich denke für uns ist es besser sich in den Gefühlen gesehene zu fühlen und eben zu lernen diese beruhigen mit dem Namen den sie eben haben.

Alles Gute
Eli
Bao
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Re: Neubewertung von Gefühlen

Beitrag von Bao »

Hallo Eli,

danke für die ehrlichen Worte. Irgendwas in meinem Gefühl hatte ich dazu auch nicht klar. Erst jetzt, wo du das schreibst, seh ich es.
Vielleicht ist dieser Ansatz auch eher was für so Probleme wie vor Menschen sprechen oder so etwas, das nicht so tiefgreifend ist.
Klang so schön einfach :roll:

Danke dir.
Luisa

Re: Neubewertung von Gefühlen

Beitrag von Luisa »

Bei mir löst das auch großes Unbehagen aus. Stimme Eli da absolut zu. Wenn ich Angst habe, habe ich Angst und bin nicht aufgeregt. Egal ob ich mir selbst oder jemand anders mir etwas anderes einredet. Angst ist Angst und die darf auch da sein, wenn sie da ist.

Was ich im Umgang mit (vor allem negativen) Gefühlen versuche: Abstand nehmen und das Gefühl wertungsfrei und bewusst wahrnehmen. Mich quasi selbst beim Fühlen beobachten (ohne dabei zu dissoziieren und das ist schwer). Und mir dann mit Abstand anschauen, woher das Gefühl kommt, wohin es führt, was es mir sagen will etc. Und dann kann ich bewusst und möglichst rational entscheiden, wie ich mit diesem Gefühl umgehen möchte.

Wobei ich dazusagen muss, dass das bei mir auch nur im Idealfall so klappt, aber ich arbeite daran, dass das besser wird, weil ich die Technik an sich für mich sehr hilfreich finde. Und ich sollte vielleicht auch noch dazusagen, dass ich diese Methode nicht in einer Therapie gelernt habe, sondern von meinem besten Freund (und der ist absoluter Laie in Sachen Trauma etc.). Also keine Ahnung, ob das gut oder schlecht ist. Mir hilft es jedenfalls.

Viele Grüße
Luisa
Bao
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Re: Neubewertung von Gefühlen

Beitrag von Bao »

Danke dir Luisa für deine Gedanken dazu.

Im Grunde gehe ich so ähnlich mit Gefühlen um. Da hat mir Meditation viel gebracht, denn da geht es ja genau um das was du beschreibst. Das Wahrnehmen von dem was ist, ohne es zu bewerten.

Dieser andere Ansatz ist wahrscheinlich wirklich nicht geeignet für die Ängste, die wir hier so haben. Und das stimmt schon, irgendwie ist es dann wieder ein wegmachen von Wahrheiten und darf auch da sein.
Luisa

Re: Neubewertung von Gefühlen

Beitrag von Luisa »

Ah, ich wusste gar nicht, dass man das Meditation nennt. Danke!

Was ich mich gerade frage: Warum willst du Gefühle neu bewerten? Meinst du damit, Gefühle in den richtigen Kontext zu setzen bzw. richtig einzuordnen? Oder was genau ist deine Intention dahinter?

Sorry, falls ich das irgendwie falsch verstanden oder überlesen habe. Vielleicht stelle ich mich da auch gerade viel zu dämlich an :oops:

Ich hoffe, es ist okay, dass ich die Frage stelle. Musst du nicht beantworten natürlich. Es interessiert mich nur, weil mir das Thema Gefühle generell permanent Schwierigkeiten bereitet. Das ist bei mir hauptsächlich ein einziges, unsortiertes Chaos. Und das würde ich gerne ändern.

Jedenfalls erschließt sich mir der Sinn dieser von dir beschriebenen Methode nicht, weil das für mich ein Negieren von Gefühlen ist und das erlebe ich für mich persönlich als kontraproduktiv.
Bao
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Re: Neubewertung von Gefühlen

Beitrag von Bao »

danke für deine wirklich gute Frage Luisa.

ich glaube es geht darum, dass ich momentan an so einem gefühlten Wendepunkt stehe.
Ich bin jetzt 46 Jahre alt. ich arbeite seit 16 Jahren aktiv auf. Habe den Täter meines Sohnes angezeigt und damit die Kette unterbrochen. Habe so viel gearbeitet an mir. Und weiß, einerseits muss ich durch die Gefühle und die Akzeptanz gerade wieder durch und das ist okay. Und andererseits wird die Kleine in mir immer lauter und ruft mir zu, was sie einmal wollte. Verändern wollte. Nicht nur im eigenen Leben. Sondern welche Sehnsucht es da auch gibt, Projekte zu verwirklichen. Aufzustehen. Etwas zu tun.

Und ich weiß, es ist sogar möglich, vieles davon. Und doch sitze ich nur da und warte darauf, dass diese Gefühle gefühlt sind. Und irgendwann der Impuls kommt TROTZDEM aufzustehen. Und ich weiß eigentlich, den gibt es nicht von Außen. Das ist in mir möglich. Und das zerreißt mich so. Weil so oft nichts geht außer da sein. Und auf der anderen Seite kann es das nicht gewesen sein. Das bin ich nicht. Das ist das alte. Und ich frage mich, wie ich es schaffen kann ich zu sein und zu tun was mir wichtig ist und gleichzeitig meine Gefühle nicht zu verleugnen oder abzuspalten. Das mein Dilemma gerade.

und vielleicht dachte ich, damit könnte das klappen. Aber das würde es wohl nicht. Weil es nur wieder eine neue Strategie wäre, nicht zu fühlen.

Ich schätze, die große Herausforderung wird sein, gemeinsam mit meinen Gefühlen aufzustehen. Und das so unerreichbar weit weg und gleichzeitig so zum greifen nah.
Freako123
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Re: Neubewertung von Gefühlen

Beitrag von Freako123 »

Liebe Bao,

vielen Dank für das Teilen dieser interessanten Perspektive zur Neubewertung von Gefühlen. Der Ansatz, Emotionen durch eine bewusste Umformulierung zu beeinflussen, scheint auf den ersten Blick sehr sinnvoll und könnte für viele Menschen eine hilfreiche Strategie sein.

Die Idee, Ängste als Aufregung zu betrachten und sie dementsprechend zu benennen, um eine positive Wechselwirkung zu erzeugen, wirkt intuitiv plausibel. Durch diese Neubewertung könnte man sich von der lähmenden Wirkung der Angst lösen und stattdessen eine aktive Haltung einnehmen. Es scheint, als könne diese Methode dabei helfen, sich nicht in den negativen Gedanken zu verlieren und trotzdem beweglich mit den eigenen Emotionen umzugehen.

Es wäre interessant zu erforschen, ob dieser Ansatz auch auf andere Gefühle anwendbar ist. Bestimmt gibt es viele Emotionen, die durch eine alternative Benennung einen konstruktiveren Umgang ermöglichen könnten, ohne sie dabei zu negieren. Vielleicht könnte man sich bei Frustration beispielsweise sagen "Ich bin herausgefordert" oder bei Traurigkeit "Ich nehme mir Zeit für mich". Hierbei würde man die eigentlichen Gefühle akzeptieren und respektieren, aber gleichzeitig einen positiveren Fokus setzen.

Leider kann ich nicht genau sagen, welche Methode genau beschrieben wurde, da der Artikel nicht genannt ist. Es könnte sich jedoch um eine Variante der kognitiven Umstrukturierung oder der Achtsamkeitspraxis handeln, die oft in der Psychotherapie verwendet werden. Es könnte auch eine spezifische Methode aus dem Bereich der Verhaltenstherapie sein.

In jedem Fall scheint es, als hättest du eine wertvolle Erkenntnis gewonnen, die dir persönlich helfen kann. Wenn du weiterhin Informationen zu dieser Methode suchst, könnte es hilfreich sein, gezielt nach Methoden der kognitiven Umstrukturierung oder der Achtsamkeit zu suchen. Vielleicht findest du so ähnliche Ansätze, die auf die von dir beschriebene Idee basieren.

Vielen Dank für das Teilen deiner Gedanken, und ich bin gespannt, was andere zu diesem Thema beitragen werden!
Strategische Ausrichtung für den Data analyst freelance verstanden werden können
Eli

Re: Neubewertung von Gefühlen

Beitrag von Eli »

Hallo,

@Luisa

Ich würde gerne etwas sagen zum Thema Chaos im Bezug auf Gefühle.

Vielleicht kann dir da ein Buch über dbt helfen. Ich weiss dass viele Menschen von dem Modul über Gefühle profitieren.

Auch könnte es hilfreich sein die eigenen Gefühle nicht gleich zu werten oder zu unterdrücken. Dauerhaft können die Gefühle ja eh nicht unterdrückt werden.
Mir hat es geholfen eben nach Anteilen zu "sortieren". Also wer in mir fühlt was. Dann ist es ein weniger ein Chaos sondern die unterschiedlichen Gefühle der Anteile. Dafür muss man aber eben wissen was man für Anteile hat. Das herauszufinden ist auch oft schwierig.

@freako:

Findest du es nicht auch schwierig die Gefühle als etwas anderes zu bezeichnen? Nur weil man es anders nennt ist es ja nicht automatisch anders. Weil ich zu einer Birne Apfel sage wird es kein Apfel... Statt eines anderen Begriffs könnte es hilfreicher sein zu spüren dass Angst okay ist und eben heute anders als damals. Zu erkennen man ist zb getriggert aber im heute ist keine Gefahr mehr da. Diesen ansatz finde ich glaube ich sinnvoller.
Bei Frust ist man frustriert und nicht herausgefordert finde ich.
Und sich Zeit nehmen wenn man traurig ist...? Vielleicht ist das gar nicht gut und das sollte man ja eigentlich grundsätzlich für sich und seine Gefühle. Für mich klingt das irgendwie gewollt.
Ich denke auch nicht dass der Ansatz aus der Achtsamkeit kommt. Da man bei Achtsamkeit schaut was ist und es nicht umbenennt...

Eli
Luisa

Re: Neubewertung von Gefühlen

Beitrag von Luisa »

@Eli:

Es wäre lieb von dir, wenn du mir das Buch empfehlen könntest. Danke!

Ich versuche ja schon, Gefühle eben nicht zu unterdrücken oder zu bewerten, sondern sie erstmal bewusst und mit Abstand wahrzunehmen und mich dann zu entscheiden, wie ich damit umgehen möchte. Aber den Großteil meines Lebens habe ich das nicht so gemacht und dadurch hat sich da jetzt natürlich eine Menge Chaos aufgestaut, denke ich.

Ich weiß nicht genau, was du mit Anteilen meinst. Ich habe keine dissoziative Identitätsstörung (jedenfalls nicht diagnostiziert). Und ehrlich gesagt, ich möchte gerne eine ganze Person sein. Also eher zusammenwachsen als auseinanderdriften, falls das irgendwie Sinn ergibt. Ich kann das nicht besser in Worte fassen. Aber ich denke, dieses ganze Chaos in mir ist ja letztendlich eine Person, nämlich ich. Ich weiß nicht genau, wer ich bin, aber trotzdem gehört das alles doch zu mir und ich möchte das eher integrieren als abspalten. Ergibt das irgendwie Sinn?


@Freako123:
Ich denke schon, dass Sprache viel ausmacht und verändern kann. Also wenn ich positiver rede, ändert sich manchmal auch das Gefühl dazu. Wenn ich positiver über mich selbst rede zum Beispiel. Also wenn ich zum Beispiel nicht sage „Ich kann das nicht“, sondern stattdessen „Ich kann das jetzt noch nicht“. Oder wenn ich versuche, eine Krise als Herausforderung zu sehen. Das geht aber nicht immer und manchmal macht mich das auch einfach nur wütend.

Ich halte es für wichtig, dass ich den Fokus aufs Positive nicht verliere. Das bedeutet aber nicht, dass ich meine Gefühle negiere oder umbenenne. Finde ich (und andere dürfen das gerne anders finden).


@Bao:
Danke fürs Teilen. Ich denke, es klingt sinnvoll, was du schreibst. Für mehr reichen meine Kapazitäten gerade nicht, tut mir leid…

Viele Grüße
Luisa
Bao
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Re: Neubewertung von Gefühlen

Beitrag von Bao »

In mir streitet es zu diesem Thema.
Einerseits finde ich darin viel Gutes und sehe tatsächlich eine Chance. Anderseits ist sicher die Gefahr da, Gefühlen nicht gerecht zu werden. Aber ich glaube, es ist eine Frage der Haltung dahinter. Das Beispiel mit der Herausforderung kann ich gut annehmen. Das passt für mich gut. Ich laufe zu Höchstformen auf, wenn etwas scheinbar unmöglich ist. Und manchmal beweise ich dadurch die Möglichkeit des angeblich Unmöglichen. Und manchmal erschöpfe ich mich im Unmöglichen.

Vielleicht ist es mit der Angst so ähnlich. Ich habe früher erstarrt in Angst oft stundenlang im Bett gelegen und konnte mich nicht bewegen. Hörte mein Herz schlagen und das war viel zu laut, weil es Umgebungsgeräusche scheinbar übertönte und noch mehr Angst machte. Einmal angekommen in der Starre dauerte es oft die ganze Nacht. Dann sagte mir die Thera, bei Angst habe ich etwa 15 Sekunden lang Zeit, bevor Starre einsetzt. Weil das Gehirn so funktioniert. Sie sagte nicht, ich müsse mich bewegen. Das war meine Wahl. Sie erklärte mir nur, dass ich nach 15 Sekunden so reagiere, wie mein Gehirn eben reagiert. Also entschied ich mich dagegen. Und begann ich mich sofort zu bewegen bei Angst. Es war logisch für mich, die Ereignisse dahinter, dass ich nach 15 Sekunden so gelähmt bin, dass nichts mehr geht. Ich erkannte dadurch, dass ich einen Handlungsspielraum habe. Sobald ich heute Angst verspüre, stehe ich auf. Immer schneller. ich hole mir meine Handlungsfähigkeit zurück dadurch.

Ich glaube, darum geht es mir.
Selbstwirksamkeit und Handlungsspielraum. Gefühle dürfen sein und gefühlt werden. Aber ich will mich ihnen nicht mehr ohnmächtig ausliefern. Das hat nichts mit negieren zu tun. Ich fühle sie ja. Negieren wäre, wenn ich behaupte, sie wären nicht da. Ich möchte sie schon wahrnehmen und ihnen Raum geben. Aber gleichzeitig beweglich bleiben. Und vielleicht geht das tatsächlich mit einer sanften Neubewertung für mich.

Es gibt Momente, da ist es möglich mich ins Gefühl fallen zu lassen. Ihm Raum zu geben. Und das ist oft heilsam. Wie ein Gewitter. Aber es gibt auch Momente, da hindert mich das Gefühl etwas zu tun, was für mich gerade gut ist. Und dafür wäre es vielleicht hilfreich so zu handeln und zu denken.

Ich bin noch nicht ganz fertig mit den Gedanken hier. Das arbeitet noch. Und finde eure Meinungen dazu total hilfreich. Gerade weil sie so differenziert sind. Danke dafür-
eli

Re: Neubewertung von Gefühlen

Beitrag von eli »

hallo luisa,

also das buch heist "interaktves skilltraining für borderline patienten" von bohus. ist recht teuer. ich finde gerade kein viel billigeres buch zu dbt leider, vielleicht kannst du nochmal recherchieren. aber das gibt es auch in guten büchereien oder uni bibliotheken etc.. unter borderlinenetzwerk gibt es ein paar infos und auf einer seite gab es auch mal sehr viel. finde sie leider gerade nicht auf die schnelle, aber du könntest da nochmal schauen.

nein jeder mensch hat anteile. die sind mehr oder weniger abgepsalten.wenn du bei google "spektrum dissoziation" eingibst und auf bilder gehst, erscheint ein bild mit einem gelben feld. das macht es ganz gut deutlich fnde ich. A,B und C sind eben die unterschiedlichen Anteile.

bei einer dis sind die anteile eben am stärksten voneinander getrennt und sehr ausgeformt wie zb mit einem eigenen körpergefühl oder eigenem namen und einer eigenen stimme und einem anderen verhalten, aber auch schon bei einer komplexen ptbs gibt es anteile, die aber diffuser sind und nicht so stark getrennt voneinander.
hier könnte auch schematherapie ein schlagwort sein, wo du mal googeln könntest. die schematherapeutInnen arbeiten auch mit anteilen. das ist eigentlich in jeder traumatherapie so dass mit anteilen gearbeitet wird, da scheinen sich viele traumatisierte menschen drin wiederzufinden.

ich finde deinen wunsch eher zu integrieren gut und richtig. und klar ergibt das sinn. aber um das zu können muss man (leider) meiner meinung nach erstmal wissen, wie gespalten man ist. Das ist ein bisschen so, wie wenn man sagt: ich will alles tun, dass das bauchweh weg geht bzw. ich wll lieber kein bauchweh haben. das ist verständlich. aber damit es besser wird, sollte man erstmal in ruhe schauen, ob es nun blinddarm, nur blähungen oder ein tumor ist. es bringt nämlich leider nicht so viel zu sagen, es sind nur blähungen und in wirklichkeit ist es doch mehr. und medikamente gegen blähungen helfen ja auch nicht, wenn es doch etwas schwereres ist... sicher verstehst du was ich meine. :wink:

wenn man dann anteile langsam und mit der zeit kennenlernt oder kennt (das muss nicht in einer therapie sein, das man lernt da nachzuspüren oder dass einem namen einfallen oder ein kindliches gefühl etc., wäre aber natürlich gut eine diagnose zu haben, aber mir ist klar dass das zurzeit ein sehr schweres thema für dich ist...), kann man eben schauen, wer wird da in mir eigentlich immer so verzweifelt und wieso. oder wütend. oder suizidal. oder will sich verletzen...dadurch, dass man anteile fokussiert und sich um sie kümmert, wird man nicht noch gespaltener. das ist meiner meinung nach ein irrglaube. dadurch dass man den bauch untersucht, entsteht ja auch nicht erst eine bauchentzündung. sondern die ist da oder eben auch nicht. ob man nun hinschaut oder nicht.

du kannst ja mal schematherapie googeln oder dazu ein buch lesen. vielleicht stösst das innerlich auf eine resonanz bei dir. und vieleicht macht das alles auch noch zu viel angst, sich da anteile anzuschauen, auch das ist okay.
ansonsten mag ich das buch von susanne weik: kraftquelle inneres kind sehr gerne. das könnte vielleicht ein etwas niedrigschwelligerer ansatz sein und das buch ist auch günstig. trotzdem kann es natürlich triggern und traurige gefühle hochholen...

alles liebe dir
eli
Luisa

Re: Neubewertung von Gefühlen

Beitrag von Luisa »

Danke für deine ausführliche Erklärung, Eli.

Ich muss in Ruhe darüber nachdenken. Ich glaube, du hast recht. Ich will es nur nicht wahrhaben :roll:

Liebe Grüße
Luisa
Eli

Re: Neubewertung von Gefühlen

Beitrag von Eli »

Hallo Luisa

Ja denk in Ruhe drüber nach. Du kannst auch immer fragen wenn du noch Fragen hast.
Und stimmt, es ist schwierig hinzuschauen und es tut weh.
Trotzdem bin ich ein grosser Fan davon, nicht zu verdrängen und ich glaube herauszulesen aus früheren Ausführungen von dir, dass du ähnlich bist und trotz aller widrigen Umstände eigentlich vorankommen willst und sehr willst, dass es dir besser geht. Weil es so einfach nicht weiter geht.
Ich wollte immer hinschauen auch bei anderen Menschen. Vor der Wahrheit davon laufen bringt glaube ich nichts, denn sie ist schneller. :wink:
Und verdrängen oder Zustände oder Situationen bagatellisieren, bringt am Ende nichts außer dass Lebenszeit verloren geht.
Trotzdem muss man natürlich respektieren, wenn gerade oder auch viele Jahre oder Jahrzehnte keine Zeit oder noch nicht die Kraft da ist, um hinzuschauen.
Da hat jeder Mensch sicher sehr unterschiedliche Wege, unterschiedliche Ressourcen und Kräfte.

Ich habe schließlich selbst über Jahre verdrängt und hatte nicht die Kraft wirklich hinzuschauen. Auch wenn ich davon überzeugt bin, dass jede Seele die Wahrheit über sich, die eigene Identität, die eigene Biographie im Unbewussten kennt und je länger es dauert oder je mehr man "dagegen" arbeitet und nicht hinsehen will, umso mehr strebt diese innere psychische Wahrheit ins Bewusstsein und sei es auch auf anderen Wegen wie beispielsweise einer Essstörung oder chronischen Schmerzen. Denn auch psychische Kräfte sind begrenzt und je länger es dauert umso weniger Kraft hat die Psyche. Die Seele sucht und strebt nach Heilung bzw. erst einmal danach zu zeigen, was ist, auch wenn es mit viel Schmerz verbunden ist. Davon bin ich nach all den Jahren an Therapie etc. überzeugt.

Früher habe ich immer gedacht, nichts kann schlimmer sein als in der Amnesie zu hocken und eigentlich nicht zu wissen, wer man selbst ist. Das würde ich heute anders sehen, nur konnte ich mir das damals eben nicht anders vorstellen. Man kann sich ja nicht vorstellen, was man (noch) nicht weiss. :roll:
(Danke für diesen genialen Gedanken bao).
Trotzdem gibt es wohl keine Wahl, denn die Wahrheit muss raus und wird raus kommen, wenn man irgendwie überleben will. Das passiert beim einen früher, beim anderen später, aber es passiert. Dadurch dass Trauma seit einigen Jahren omnipräsent in den Medien oder in der Gesellschaft ist, ist man viel zu sehr damit konfrontiert als dass man bis zu seinem lebensende verdrängen könnte was Generationen vor uns vielleicht teilweise noch geschafft haben. Geschafft steht in Anführungszeichen denn unbewusst wurde sicher viel Trauma sch an die nächste Generation weiter gegeben..So nun aber genug von mir und von Off topic kram.

Ich wünsche dir alles Gute und ich finde toll wie du kämpfst. Pass auf dich auf
Eli
Bao
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Re: Neubewertung von Gefühlen

Beitrag von Bao »

Muss hier nochmal etwas festhalten für mich. Ist auch total okay, wenn das nicht für andere passt.
ich glaube, ich verstehe jetzt meinen inneren Streit mit diesem Thema und Ansatz.
Ich finde den Ansatz gut und hilfreich, sehe da auch eine große Chance für mich um beweglicher zu werden.
Ich glaube aber, damit das gut werden kann, muss das Gefühl dahinter erst so sein dürfen, wie es ist.

Deshalb klappt es gut für mich mit dem Angstthema. Angst ist hier erlaubt inzwischen und kein Tabu.
Es gab viel Auseinandersetzung mit Angst, ich kann sie fühlen, kann sie benennen, kann sie verstehen. Sie darf da sein. Nur lähmen lassen möchte ich mich nicht mehr darin. Ich möchte meine Angst wahrnehmen und bewusst entscheiden, ob sie mir gerade wirklich nutzt (weil reale Gefahr) oder ob sie mich blockiert (weil Lähmung).
Deshalb ist es ein guter Gedanke für mich, die Angst neu zu bewerten und zu sagen in Angstsituationen, die mich sonst hindern frei zu handeln, zu sagen "ich bin aufgeregt" und mir damit eine Möglichkeit zu geben anders zu handeln. Ich nehme die Angst weiterhin an, erkenne aber meinen Handlungsspielraum trotz der Angst.

Bei Gefühlen, die aber nicht da sein dürfen in mir, wäre es ein Verleugnen sie umzubenennen oder neu zu bewerten. Da gibt es ein paar. Wut, Scham, Bedürftigkeit zum Beispiel. Die kann ich noch nicht annehmen. Würde ich sie nun umbenennen, dann wäre es ein weiterer Versuch sie wegzumachen.

Ich glaube also, dass dieser Ansatz gut funktionieren kann, wenn ich im Kontakt zu meinem Gefühl ehrlich bin.
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