aus dem Versteck

Hier können Betroffene über ihre Erlebnisse diskutieren.
Aufatmende
Beiträge: 1857
Registriert: Mi Jul 17, 2013 10:26 pm
Wohnort: hinter den Bergen bei den sieben Zwergen

Re: aus dem Versteck

Beitrag von Aufatmende »

Warum gehst du über das Gefühl hinweg? Du könntest bewusst mit dem Kind Kontakt aufnehmen, das sich fürchtet und dich ausdrücklich für sie auf einen anderen Platz setzen, sie in dir sehen. Und hin- und herpendeln zwischen der sicheren Gegenwart und der gefährlichen Vergangenheit. Das machen wir in Therapie ständig und es geht immer besser alleine. Hat aber Jahre gedauert. Du könntest auch versuchen, dem Kind zu sagen, dass es dich traurig macht, es so zu sehen. Dass du gerne in ihre Augen blicken möchtest und ihr sagen möchtest, dass sie sich nicht mehr verstecken muss, weil Heute alles sicher ist.
Rückfälle sind Vorfälle!
Bao
Beiträge: 202
Registriert: Do Dez 14, 2023 2:42 pm

Re: aus dem Versteck

Beitrag von Bao »

Hallo Meereskind,

finde das nachvollziehbar mit dem false memory. Ich glaube, das dockt deshalb so erfolgreich an, weil es so "einfach" wäre. Es bietet eine Lösung an. Denn wenn alles nur eingebildet ist, dann kann man es auch selbst und aus sich heraus lösen. Und das wäre sicher viel leichter, als sich damit auseinander setzen zu müssen, dass es wirklich passiert ist. Weil das dann ja nicht mehr in der eigenen Macht liegt. Man kann dann sagen "okay, in mir ist einfach was kaputt und das mach ich wieder heile und dann ist alles gut". Nur funktioniert das leider nicht.

Das wollte ich dir schreiben, weil ich mich darin auch mal verfangen hatte vor Jahren. Und eigentlich hat die Auseinandersetzung in mir später damit nur noch mehr bestätigt, dass es eben doch wahr ist, was mir passiert ist.

Das Mutterthema kann ich auch total nachempfinden. Aber dazu schreib ich dir hier nichts, weil sich das womöglich sehr mischt mit meinem. Nur eins vielleicht.

"Warum fragst du mich nicht, wie es mir geht"
Was antwortet sie in deinem Kopf darauf? Nicht in Wahrheit in einem echten Gespräch. Sondern was ist ihre Antwort in deinem Gefühl? Was sie vielleicht nie sagt, aber durch ihre Art ausdrückt?
Wenn es nicht passt, bitte ignorieren.

Und die Kleine in dir... wenn sie das Bedürfnis hat sich zu verstecken, kannst du ihr vielleicht dabei helfen? Und ihr sagen, dass du da bist, wenn sie rauskommen mag? Was ist falsch daran, sich zu verstecken, wenn gerade alles zu viel ist?

Liebe Grüße
Bao.
Meereskind
Beiträge: 83
Registriert: Do Okt 05, 2023 3:28 pm

Re: aus dem Versteck

Beitrag von Meereskind »

Ich wollte kurz ein großes Danke an euch beide hierlassen. Eure Antworten sind sehr wertvoll und geben mir was zum Nachdenken mit. Bald mehr.
Meereskind
Beiträge: 83
Registriert: Do Okt 05, 2023 3:28 pm

Re: aus dem Versteck

Beitrag von Meereskind »

Bao hat geschrieben: Di Dez 19, 2023 8:50 am Das Mutterthema kann ich auch total nachempfinden. Aber dazu schreib ich dir hier nichts, weil sich das womöglich sehr mischt mit meinem. Nur eins vielleicht.
"Warum fragst du mich nicht, wie es mir geht"
Was antwortet sie in deinem Kopf darauf? Nicht in Wahrheit in einem echten Gespräch. Sondern was ist ihre Antwort in deinem Gefühl? Was sie vielleicht nie sagt, aber durch ihre Art ausdrückt?
Gute, aber schwere Frage. Ich denke sie würde mich verwundert anschauen. So als hätte sie noch gar nicht darüber nachgedacht mich so etwas zu fragen.
Ich habe im Zusammenhang mit einer anderen Sitaution, die ich als sehr einschneidend erlebt habe und die bei mir viele Verhaltensweisen ausgelöst hat, die auf eine Traumatisierung schließen lassen, meine Eltern nach vielen Jahren gefragt, warum sie da nicht reagiert haben. Und die Antwort entsprach in etwa dem was ich mit meiner Antwort auf deine Frage ausdrücken wollte. "Wir dachten das legt sich schon wieder von allein und wäre normal." Ich war immer bemüht für meine Eltern so unanstrengend wie möglich zu sein. Dann gab es eine Zeit in der ich durch dieses andere Erlebnis nicht mehr so gut funktioniert habe. Die Veränderungen waren nicht alle nach außen sichtbar aber es gab auch sichtbare, die mich als Elternteil stutzig gemacht hätten. Und meine Eltern dachten, das legt sich schon wieder. Sie wird schon irgendwann wieder normal werden. Aber sie haben nicht mit mir darüber geredet.

Ein weiterer Teil ihrer Antwort könnte auch sein: Aber ich frage dich doch immer und du sagst es ist alles gut.
Wenn ich sie in einem schlechten Moment erwische, dann würde sie mir zu verstehen geben, dass sie sehr belastet ist und ohne wirklich thematisch zu werden, würde sie mir vermitteln, dass Sie an meiner Situation keine Schuld haben kann. Davon abgesehen, dass ich schon irgendwie auch Schuld an ihrer Situation bin.

Und weil der Fokus ja immer auf den Müttern liegt, will ich meinen Vater mal mitdenken. Würde ich meinem Vater diese Frage stellen, würde das weitere Gespräch ungefähr so laufen.
"ach, soll ich das? ... wie geht es dir?" ich(vorausgesetzt ich bin mutig genug):"manchmal geht es mir richtig schlecht." er:"ah, das ist ja nicht so schön." Ende des Gesprächs.

Gerade denke ich, dass ich ja jetzt erwachsen bin und selbst die Zügel und die Gesprächsführung in die Hand nehmen könnte. Und doch fällt mir das sehr schwer. Es sind meine Eltern und ich falle da ganz schnell in alte Muster... und dann ist da ja auch noch der Reflex sich zu verstecken. bloß nicht zeigen wie es mir geht.
Bao hat geschrieben: Di Dez 19, 2023 8:50 am Und die Kleine in dir... wenn sie das Bedürfnis hat sich zu verstecken, kannst du ihr vielleicht dabei helfen? Und ihr sagen, dass du da bist, wenn sie rauskommen mag? Was ist falsch daran, sich zu verstecken, wenn gerade alles zu viel ist?
Mh, falsch ist daran nichts, wenn es einen Grund gibt sich zu verstecken. Den gibt es aber in der Gegenwart ja nicht. Dieser Impuls ist etwas das ich schon sehr lange mit mir herum trage. Es mit anderen zu teilen, ist mir oft unangenehm, weil "das ist ja nicht normal". Hier ist das nicht so, weil ich weiß, dass es für euch nachvollziehbar ist. Und das ist echt super ...nur mal so nebenbei :-).
Das mit dem Verstecken wollen, führt mir immer wieder vor Augen, dass es da eine reflexhafte Reaktion in mir gibt, die nichts mit der Gegenwart zu tun hat, aber so tief verankert ist, das sie eben einfach passiert. Und das Verstecken geht einher mit Furcht und nicht vorhandenem Vertrauen und wenn ich das Gefühl zulasse, dann ist da ... vieles ... kann da gerade nicht tiefer eintauchen.
Und ja, ich kann der Kleinen sagen, dass ich für sie da bin. Das funktioniert ganz gut. Ich kann sie gedanklich in den Arm nehmen und ich sage ihr auch, dass sie zeigen und fühlen darf, wenn sie möchte und das ich das aushalte kann.
Ich würde mir wünschen, dass ich als Erwachsene das auch fühlen könnte. Jetzt muss ich mich wohl erst mal damit zufrieden geben, dass ich das Gefühl nachträglich meiner jüngeren Version zukommen lassen kann.

Aber wie gesagt, wenn ich zu ihr gehe und die Zweifel in mir rumoren, dann kann ich ihr nicht nahe kommen. Weil es so wäre als würde ich sie verleugnen. Manchmal schaffe ich es dann mich bei ihr zu entschuldigen und dann kann Nähe entstehen. Oder ich verschwinde wieder und nehme meine Zweifel mit mir mit.
Meereskind
Beiträge: 83
Registriert: Do Okt 05, 2023 3:28 pm

Re: aus dem Versteck

Beitrag von Meereskind »

In meiner Ehe fällt es mir mal schwerer und mal etwas weniger schwer mich zu zeigen. Da ich ein riesiges Problem damit habe als anstrengend, kompliziert oder belastend wahrgenommen zu werden, fällt es mir sehr schwer meinem Mann zu sagen, dass ich dieses oder jenes gerade nicht auf die Reihe kriege. Von meiner Gedankenwelt oder meinen Gefühlen zu sprechen, geht nur wenn ich mich dabei verstecken kann. Tatsächlich kann ich den Impuls dann Stück für Stück weiter unter der Decke zu verkriechen nicht unterdrücken. Obwohl ich mir dabei total bescheuert vorkomme. Darüber haben wir allerdings schon oft gesprochen,das fällt mir nicht so schwer. Also, darüber das ich micht verstecken will. Darauf reagiert er mit Humor und damit kann ich gut umgehen. Nun ja, wenn ich mich dann durchgerungen habe ihm etwas zu erzählen, weil ich merke, dass meine Innenwelt nicht mit unserer Aussenwelt zusammenpasst (also ich brauche schon erst einen Leidensdruck um mich ihm mitzuteilen), dann ist das oft ein schwieriges Unterfangen. Ich versuche Worte zu finden, die meine Gedanken umschreiben und gleichzeitig wähle ich oft Formulierungen die mehr Fragezeichen hinterlassen, weil da eben der Impuls ist mich zu verstecken.
Und auch wenn wir wahrscheinlich auf einem guten Weg sind und ich mit meinem Mann viel Glück habe, ist er natürlich nicht perfekt und wenn seine Belastungsgrenze überschritten ist und meine auch und ich mich dann von ihm etwas höre, wie, das es gerade anstrengend mit mir ist. Dann geht bei mir gar nichts mehr. Totaler Alarmmodus. Wenn ich gut bin empfinde ich noch so etwas wie Wut, weil ich seine Verhaltensweisen natürlich auch manchmal anstregend finde, aber das sage ich ihm meistens nicht, weil ich will ja nicht anstrengend sein ... :roll:
Ich habe ja irgendwo schon geschrieben, dass ich auf jeden Fall verhindern will, dass man mich als anstrengend wahrnimmt. Am besten wäre es wenn ich ganz unauffällig wäre.

Und dann ist da noch das leidige Thema Sex.
Liebe Aufatmende, du hast in Baos Thread geschrieben, dass du die Vergangenheit aus eurem Sexleben heraus hälst. Wie schaffst du das?
Bei dem Thema stehe ich vor vielen Fragezeichen. Naja, eigentlich weiß ich, dass ich ganz ehrlich sein müsste. Ich könnte ihm sagen, was geht und was nicht. Aber kann ich das? Manchmal weiß ich es vorher nicht...dann müsste ich es währenddessen machen. Das schaffe ich noch nicht.
Wir haben schon einige Gespräche zum Thema Sex geführt mit und ohne die Vergangheit als Hintergrund des Gesprächs. Es gibt auch Sachen, die ich klar benannt habe, die nicht gehen.
Aber oft scheitere ich schon an dem Punkt, dass sein Bedürfnis nicht meinem entspricht und ich dann vor dem Dilemma stehe, etwas zu sagen und mit meiner Angst davor zu anstrengend zu sein klar kommen muss oder mich eben anpasse und hoffe, dass es schon gut gehen wird.
ich merke gerade, dass ich diesem Thema gerade nicht komplett gerecht werden kann. ich möchte noch viel dazu schreiben,aber ich bin zu müde.
eins noch:wenn wir abends ins Bett gehen, befinden wir uns oft in vollig unterschiedlichen Zuständen. Er freut sich auf Sex und ich liege im Bett fahre runter, habe nichts mehr zum ablenken und lande gedanklich in der Verarbeitung der Vergangenheit und kann dann Sex wirklich nicht gebrauchen.
Es geht wohl nicht ohne reden und sich zeigen ... so ein Mist 8) :lol:

Wie ist das bei euch?
Bao
Beiträge: 202
Registriert: Do Dez 14, 2023 2:42 pm

Re: aus dem Versteck

Beitrag von Bao »

Hallo Meereskind,

ich möchte dir einen Gedanken hier lassen. Beziehungen gleich welcher Art SIND mitunter anstrengend. Und zwar unabhängig davon, wer was mit sich rumträgt. Jeder Mensch trägt Dinge mit sich. Und ich glaube, zu versuchen nicht anstrengend zu "sein" ist nicht möglich, wenn gleichzeitig die Beziehung in dem Augenblick fortgesetzt wird. Also wenn ich vermeide anstrengend zu "sein", ziehe ich mich zwangsläufig zurück und damit breche ich für den Augenblick die Beziehungsgestaltung ab. Das ist okay manchmal und nicht unbedingt falsch. Sich zurückzuziehen und erstmal für sich selbst nachzuspüren. Aber ich glaube, das ist nicht das Problem. Sondern der Versuch Beziehung zu gestalten, im Kontakt zu bleiben und grundsätzlich nicht anstrengend zu "sein".

Und das anstrengend "sein" steht in Anführungszeichen, weil eigentlich BIST nicht DU anstrengend in dem Augenblick. Sondern die Beziehungsgestaltung, der Moment, der Auslöser ist anstrengend. Und ich finde das total wichtig zu unterscheiden. Nicht du als fühlender Mensch bist anstrengend. Sondern die Situation zwischen zwei Menschen ist dann gerade anstrengend. Und sich dann einen Moment Ruhe und Abstand zu gönnen ist ganz was anderes. Weil der Raum für deine Gefühle trotzdem da bleibt.

Wenn du anstrengend "bist" und dir das sagst, dann sagst du dir immer wieder "ich bin falsch". Aber deine Gefühle die sind ja trotzdem da. Und werden vielleicht um so stärker, weil sie nicht zurück in die Unterdrückung wollen. Und zusätzlich zu diesen Gefühlen bist du nun also auch noch falsch und nix geht mehr. Und wenn du aber sagst "es ist gerade sehr anstrengend zwischen uns" dann kannst du dir eine Pause nehmen und nachfühlen.

Das wieder so Klugscheißmodus hier, weil Wissen im Kopf, aber selbst oft noch nicht so ganz super in der Umsetzung immer. Aber mit diesem Gedanken klappt es inzwischen besser bei mir, mich selbst zu akzeptieren in dem Moment. Und vielleicht hilft es dir auch. Und weißt ja, wenn nicht hilfreich, einfach ignorieren.
Eli

Re: aus dem Versteck

Beitrag von Eli »

Hallo Meereskind,

bzgl Sexualität: Mmh also bei meinem früheren Freund und mir half wirklich viel reden, viel Humor, klare nonverbale und verbale Stopp Zeichen (aber nicht Stopp sondern zb Waschmaschine oder so etwas ungefährliches sozusagen...).

Ich für mich habe auch unterschieden zwischen Anzeichen dafür, dass es heute gar nicht geht und es ist okay...

Und heute würde ich innere Anteile immer an ihren guten Ort bringen, wenn sie den haben. Das konnte ich damals noch nicht.
Und eben schon auch an sich arbeiten. Man hat evtl andere und mehr grenzen als Menschen, die keinen MB erlebt haben aber wenn ich so mit Freundinnen über deren Sexualität sprach, dachte ich oft, ich hab auch nicht mehr als die.
Soviel zum Thema anstrengend...
Dieses Thema anstrengend beim Sex zu sein ist auch nur ein sch.. narrativ, was halt alle Frauen kennen, die irgendwie Grenzen beim Sex setzen und aur ihre Bedürfnisse zu achten.
Versuch das echt ein bisschen aus deinem Kopf zu verbannen. Das ist patriachaler bullshit. Männer sind mindestens genauso kompliziert. Kommt ja immer auf die Perspektive an.
Dinge zu wollen, die die andere Person nicht will finde ich wirklich auch kompliziert... :wink:
Erst letztens wollte mir ein Mann vermitteln dass die Ablehnung von xyz ein Anzeichen dafür sei, dass die Frau MB wurde, weil es eben "normal" sei das zu wollen...wo ich so dachte ähm nein...es ist weder normal noch Zeichen von MB. Sondern einfach das Recht der Frau xyz nicht zu wollen. Da haben Männer teils so komische Vorstellungen und Ideen über das was Frauen sexuell normal wollen müssen oder können im Kopf dass es einen graust finde ich. :mrgreen:

Ich finde Sexualität in einer positiven Beziehung mit einem sensiblen und empathischen Partner tatsächlich extrem heilsam. Teilweise zehre ich da auch nach Jahren noch von bzw das innen weiss zumindest noch, dass es so etwas überhaupt gibt.

Ich wünsche dir alles gute für dich und deine Beziehung.
Eli
PS vielleicht hilft der Gedanke dass nicht du anstrengend bist sondern das Trauma. Aber dafür kannst du nichts...

Ps2 ich hab es nie geschafft währenddessen zu merken was geht und was nicht...es gab immer im Vorhinein klare Regeln. Das wirkt vielleicht etwas starr und zwanghaft aber anders ging es erst nach mehreren Jahren und sehr viel Vertrauen.
Und auch wenn es jetzt krass für dich wirken mag, aber wenn ich dich beraten würde, würde ich sagen solange du nicht klar deine Grenzen kennst bzw diese auch äußern kannst sollte es gar keinen Sex zwischen euch geben, denn neue retraumatisierende Erfahrungen sind einfach sch und sollten echt vermieden werden.

Dann ist es vielleicht eher dran erst einmal mit kuscheln und Zärtlichkeit zu starten ohne eine erotische Komponente und da dann zu spüren, was geht und was ist auch da zu viel. Und ja das klingt anstrengend und das ist anstrengend für beide aber so ist es nunmal. Das ganze wird nur noch anstrengender und schwieriger für euch beide(!) langfristig, wenn du über deine Grenzen gehst bzw diese nicht spüren kannst. Das fällt dir sehr wahrscheinlich langfristig auf die Füße.

Entschuldige bitte wenn das jetzt ein bisschen streng klingt... :roll: ich finde es sehr traurig dass du dich als anstrengend erlebst und ich fände es schlimm wenn du wieder schlechte Erfahrungen machst...
Das bist du nicht und ich wünsche dir dass du lernst das anders zu sehen. Alles Liebe.
Meereskind
Beiträge: 83
Registriert: Do Okt 05, 2023 3:28 pm

Re: aus dem Versteck

Beitrag von Meereskind »

Danke an euch beide,

vieles von dem was ihr schreibt,ist auch in meinem Kopf vorhanden. Es ist aber nie verkehrt, dass so oft wie möglich noch mal von anderen zu hören und auch in anderen Worten. Das wird mir gerade noch einmal klar. Ich selbst rede ja mit mir selbst oft auf die selbe Art und Weise. Nicht mehr ganz so häufig abwertend, dafür umso öfter akzeptierend mit einem Hang zum kritischen Hinterfragen.
Und beim Lesen eurer Antworten habe ich gemerkt wie gut es tut, dass alles von einer anderen Person formuliert zu bekommen.
Das wollte ich noch kurz los werden bevor ich schlafen gehe.

Ich wünsche euch allen eine GUTE Nacht.
Meereskind
Beiträge: 83
Registriert: Do Okt 05, 2023 3:28 pm

Re: aus dem Versteck

Beitrag von Meereskind »

Ich merke das dieses ganze Sex-Thema in der Partnerschaft noch in mir nacharbeitet, ich will ... oder kann dazu jetzt aber noch nichts weiter schreiben.
Aber es hängt wahrscheinlich mit drin im Dilemma des Wunsches gesehen zu werden und gleichzeitig beschämt im Versteck zu bleiben.

Wow, dass ich dort beschämt sitzen könnte, habe ich bisher noch nicht so wahrgenommen. Jetzt gerade kommt mir das recht stimmig vor.
Für mich ist es sehr schambesetzt meine Bedürfnisse zu zeigen. Ich konnte heute einen wichtigen Termin nicht wahrnehmen und für mich völlig unerwartet schossen mir die Tränen in die Augen als das klar wurde. Das hat mich kalt erwischt. Sonst merke ich die Vorzeichen und schaffe es meistens sie zu unterdrücken (wobei es gleichzeitig ein starkes Bedürfnis in mir gibt,endlich richtig weinen zu können).
Worauf wollte ich hinaus?
Die Scham und der starke Impuls mich zu verstecken. Sehr stark ist das ausgeprägt, wenn es entweder ans eingemachte geht. Ich also irgendwie über meine Gefühle reden will oder wenn ich in der alten Heimat bin. Ich kann mich da nur mit großem Unbehagen bewegen und würde am liebsten einen Umhang tragen der mich unsichtbar macht. Und ich kann dann schon noch eine kleine Kerze der Vernunft brennen lassen und sehe, dass dort nichts gefährliches ist und niemand mir ansieht wie es mir geht.

Da musste ich jetzt gedanklich noch mal tiefer einsteigen. Der Impuls mich zu verstecken hat vielleicht in den beschriebenen Situationen andere Auslöser. Im Kontakt mit jemandem ist es vielleicht die Scham und in der alten Heimat... ich komme da nicht so richtig ran. es ist auf jeden Fall ganz viel Angst und das Gefühl von Gefahr. Aber Scham spüre ich da nicht.

Interessant wohin sich dieser Text entwickelt. Ich hatte das Bedürfnis hier etwas zu schreiben. Ich wollte gerne etwas echtes schreiben, wollte mich spüren. Und nicht nur meine Unruhe,die wahrscheinlich daher kommt, dass ich nicht wirklich in Kontakt mit mir selbst bin. Eigentlich wollte ich etwas über die jugendliche Meereskind schreiben. Weil ich in den letzten Tagen immer wieder in unterschiedlichsten Situationen Momente aus der Zeit damals erinnere. Ich war damals total in mir selbst gefangen und fühlte mich wie abgeschnitten von fast allen anderen. Legte mir alle möglichen Erklärungsmöglichkeiten zusammen warum mein Leben so war wie es war. Mir war das so lange so unangenehm. Bis ich irgendwann verstand, dass es eine recht normale Reaktion war.
Für die Jugendliche, die ich damals war kann ich ganz gut Mitgefühl empfinden. Es ist eine Zeit die emotional sehr schmerzahft war, an die ich mich aber sehr gut erinnern kann.

An die Zeit davor kann ich mich nicht so gut erinnern. An Gefühle kaum. Und wenn ich versuche aus der Vernunft heraus Mitgefühl mit mir als Kind zu empfinden. Dann geht das schon. Aber es bleibt eine Kopfsache. Ich meine, dass ist dann so als wäre das jemand anderes. Und mir ist schon klar, dass das ein Schutzmechanismus ist. Für den bin ich auch dankbar. ... das "aber" lass ich jetzt einfach mal weg.
Was geht, ist der Kontakt zu dem Kind am sicheren Ort und ich kann an meine Kinder denken und die Wärme die dann kommt, kann ich auch auf mich als Kind übertragen.

Vielleicht sollte ich mir öfter Zeit nehmen und der Dankbarkeit mehr Raum geben. Dankbarkeit dafür, dass ich ein Leben habe, dass ich gerne lebe. Auch wenn es oft ein Kampf ist mir bewusst zu machen, dass ich jetzt in Sicherheit bin.
Und ich merke gerade, dass ich jetzt direkt dort einsteigen könnte. wie verflucht anstrengend das Leben ist. Aber genau das will ich gerade nicht. denn so bitter das für mich selbst klingt,hatte ich doch noch Glück. Ich habe ein Beruf den ich liebe, ich kann Beziehungen eingehen usw.
das ist mit dem ganzen Gepäck immer wieder herausfordern und bringt mich an und über meine Grenzen. aber ich lebe noch und lebe weiter.
... das erinnert mich gerade an ein Gedicht das ich als Jugendliche geschrieben habe. Es hieß "trotz allem".
Ich glaube es war in dem Thread "Idole und Helden", wo mich das Wort "trotzdem/trotz" angesprungen hat. Das hinterlässt immer wieder eine Gänsehaut. Ich finde, dass dieses Wort viel Kraft und Willen enthält. Sich in den Wind zu stellen obwohl man schon hundert mal umgepustet wurde.
Meine Assoziation dazu.
Bao
Beiträge: 202
Registriert: Do Dez 14, 2023 2:42 pm

Re: aus dem Versteck

Beitrag von Bao »

Liebe Meereskind,

ich hab ein spontanes Gefühl beim Lesen deiner Worte und lass dir das hier. Schau ob es passt.

Dankbarkeit für das was gut ist, ist in meinen Augen total wichtig und einer der Schlüssel für empfundenes Glück (egal ob nur kurze Momente oder umfassender). Ich selbst "praktiziere" viel Dankbarkeit in Meditation, Gebeten und Gedanken. Das Problem mit dem "trotzdem" ist vielleicht manchmal, die Dinge für die wir dankbar sind und sein können über das Schmerzhafte zu legen. Dann wird zum Beispiel aus "ich habe Schmerzen UND ich habe ein schönes Zuhause" innen schnell ein "ich habe Schmerzen, sollte mich aber nicht anstellen, denn immerhin habe ich ein schönes Zuhause".

Das ist auch wieder so eine Strategie - die ich selbst ganz oft anwende (also mal wieder Klugscheißmodus) - um das Schmerzhafte nicht zu fühlen. Ich glaube, die Herausforderung mit dem "trotzdem" ist, dass beidem Raum zum Fühlen gegeben werden darf. Und das echt schwer. Manchmal kannst du fühlen, dass du echt dankbar sein kannst für etwas. Und manchmal fühlst du Schmerz und weißt aber, dass du auch dankbar bist für etwas anderes. Ich glaube, bei so starken Gefühlen funktioniert es nicht, beides gleichzeitig tief zu fühlen im selben Augenblick. Vielleicht irre ich mich auch und andere können das. Aber eigentlich denke ich, im jeweiligen Moment geht das nicht und das ist okay. ich glaube, helfen tut da nur beidem Raum zu geben.

Du kannst und darfst sagen, dass es anstrengend ist und sich so anfühlt gerade. Und du hast den Blick darauf, was du Gutes hast in deinem Leben und was du ja auch klar benennen kannst. Aber das Gute in deinem Leben verbietet dir nicht zu sagen "das ist anstrengend!". Das wäre auch sonst echt ungerecht, weil es findet sich immer ein Wesen auf diesem Planeten, das es objektiv schlechter hat und damit gäbe es für niemanden eine Erlaubnis oder Raum traurig oder verletzt oder all das zu sein. Ich glaube also das trotzdem ist schon wichtig, ja. Aber das und ist auch wichtig.

Und wie gesagt, das Klugscheißmodus, weil so etwas zu sagen ist ganz leicht. Es wirklich zu fühlen und zulassen eine ganz andere Nummer.
Aber gerade stelle ich mir meinen Sohn vor, der traurig ist und sich etwas wünscht, das gerade nicht erfüllbar ist und ich würde sagen "du hast doch ein schönes Zuhause, ohne Krieg". Das würde in ihm das Gefühl hinterlassen, niemals traurig sein zu dürfen und ginge voll an seinen Gefühlen vorbei. Und das Beispiel klingt vielleicht echt komisch, aber ich glaub so gehen wir selbst oft innen mit uns um. Und würden es gleichzeitig niemals bei jemand anderem tun.

Liebe Grüße
Bao.
Meereskind
Beiträge: 83
Registriert: Do Okt 05, 2023 3:28 pm

Re: aus dem Versteck

Beitrag von Meereskind »

Danke für das Teilen deiner Gedanken. Du hast recht damit, dass bei dem trotzdem oft die Gefahr mitschwingt den Schmwerz zu relativieren. Das ist mir auch nicht fremd.
DIe Dankbarkeit von der ich gestern geschrieben habe, kam aus einem anderen Gefühl heraus. Diese Art von Dankbarkeit kann ich bisher nur fühlen, wenn ich mir tatsächlich mit jeder einzelnen Zelle meines Körpers bewusst bin, dass ich in Sicherheit bin. Das ist nicht oft der Fall und wenn es dann doch mal so ist, ist das ein wunderschönes Gefühl.

Gerade denke ich, wie gut es sich anfühlen kann, wenn man die Dankbarkeit und den Schmerz/die Trauer nebeneinander stehen lassen kann... das fällt dann wohl unter radikale Akzeptanz.

Ich finde dein Beispiel mit deinem Sohn sehr greifbar. Du hast völlig recht. So würden wir mit jemand anderem nicht reden. Und trotz aller guten Sachen ist es erlaubt auch traurig zu sein über das was einem fehlt.
Ich muss gerade an eine Situation denken, die sich zwischen Weihnachten und Neujahr hier ereignet hat. Meine Eltern waren zu Besuch, die Kinder wuselten wild durcheinander und meine Mutter trat aus Versehen einem der Kinder auf die Hand. Das Kind hat seinen Schmerz zum Ausdruck gebracht und meine Mutter hat als erste spontane Reaktion genervt reagiert und mit ihrem ganzen Verhalten signalisiert "wieso sitzt du auch da wo ich lang gehen will, selbst Schuld".
...ich weiß aus eigener Erfahrung, dass sich Eltern/Großeltern nicht immer perfekt verhalten können und müssen. Als ich das aber beobachtet habe, hat es mir ein Stich im Herzen hinterlassen. Weil es in mir als Erinnerung aus meiner eigenen Kindheit nachhalte. Meine tendentiell eher öfter als seltener überforderte/belastete Mutter die auf ein emotional passendes Verhalten ihres Kindes mit einer (sicher unterbewussten, aber trotzdem ausgedrückten) Schuldzuweisung an das Kind reagiert.
Daran musste ich gerade denken bei dem Thema eigene Gefühle wahrnehmen und stehen lassen können und nicht relativieren.
Bao
Beiträge: 202
Registriert: Do Dez 14, 2023 2:42 pm

Re: aus dem Versteck

Beitrag von Bao »

Die Situation die du da mit deiner Mutter beschreibst, dieser reflexhafte Umgang von eigenen Schuldgefühlen, die umgewandelt werden in ein "weil". Also statt Bedauern auszudrücken über das eigene Verhalten und dann Raum zu lassen für Gefühle des anderen, es zu rechtfertigen mit Gründen. Das ist grade hier auch immer wieder ein großes Thema. Im Umgang mit anderen und sogar auch das eigene Erkennen solcher Reflexe und ein alternatover Umgang damit. Schweres und tiefes Thema. Ich halte mich auch zurück damit di hier zu viel zu schreiben darüber, wollte dir eigentlich nur sagen, dass ich das sehr nachfühlen kann. Und ich halte genau das für eines der größten Probleme im menschlichen Miteinander. Denn es setzt das Bewusstsein voraus, dass wir potentiell immer andere verletzen können, einfach nur durch unser Dasein und es braucht viel innere Klarheit und Stärke und Reife dazu zu stehen und das auszuhalten. Aber wie gesagt, ich will da nicht zu tief mit meinem Thema in deins und lass es mal lieber so stehen.
Meereskind hat geschrieben: Fr Jan 05, 2024 3:18 pm DIe Dankbarkeit von der ich gestern geschrieben habe, kam aus einem anderen Gefühl heraus. Diese Art von Dankbarkeit kann ich bisher nur fühlen, wenn ich mir tatsächlich mit jeder einzelnen Zelle meines Körpers bewusst bin, dass ich in Sicherheit bin. Das ist nicht oft der Fall und wenn es dann doch mal so ist, ist das ein wunderschönes Gefühl.
Und das klingt wunderschön und sehr sehr wertvoll! Ich wünsche dir vieler solcher Momente und dass sie dich umarmen und tragen. Wunderschön!
Meereskind
Beiträge: 83
Registriert: Do Okt 05, 2023 3:28 pm

Re: aus dem Versteck

Beitrag von Meereskind »

Es gibt diese Momente in denen ich nicht fassen kann,dass andere Menschen gerne Zeit mit mir verbringen wollen. Ich denke,dass stammt unter anderem aus meiner Jugend.als ich mich so völlig anders und abgekapselt von den anderen gefühlt habe (vielleicht mehr als es jugendtypisch war...nein,nicht vielleicht).
Da ist dieser Satz in meinem Kopf "bin ich denn überhaupt liebenswürdig?".der kommt wenn ich überrascht über echtes Interesse bin.

Ich muss hier kurz was zwischenschieben: das Dilemma von Freundschaften,die wirklich echt sind und trotzdem nur ansatzweise das aushalten können,was geteilt werden könnte(aber da bin ich selbst in mir super ambivalent...und da ist auch immer noch ein Sprechverbot)

Zurück zum Thema.
Seit ein paar Tagen wabern in mir positive Formulierungen,die ich gerne festhalten möchte und die sich bisher vor dem Aufschreiben zurück ziehen. Ich denke es liegt an den Emotionen,die dahinter stecken...die kann ich irgendwie nicht richtig rauslassen/zulassen/spüren(?).
Es fällt mir schwer es hier aufzuschreiben...Dabei sind es positive Sachen...aber es bedeutet eben auch,dass ich mir so etwas erst bewusst machen muss und es sich offensichtlich nicht um selbstverständliche handelt
Vielleicht ist es auch Scham!? Ich hasse dieses Gefühl.
Also los geht's...woran ich mich immer erinnen möchte ist,dass:

Ich lebe
Ich darf traurig sein
Ich darf fröhlich sein
Ich darf sagen wenn etwas weh tut
Ich darf sein


Ich muss hier Schluß machen,das geht mir gerade sehr nah,vielleicht zu nah. Und ich sende es ab,obwohl es sich anfühlt als würde ich aus der Deckung gehen...und das fühlt sich nicht sicher an
Meereskind
Beiträge: 83
Registriert: Do Okt 05, 2023 3:28 pm

Re: aus dem Versteck

Beitrag von Meereskind »

ich habe das Gefühl mich mitteilen zu müssen um nicht unterzugehen und gleichzeitig fühle ich mich so "stimmlos" wie schon lange nicht mehr. Es ist als würde sie mir im Hals stecken bleiben.

Ich habe einen kleinen Schritt aus dem Versteck heraus gemacht und "wahrscheinlich" eine gute Reaktion bekommen. Nur kann ich damit gar nicht umgehen, deswegen das wahrscheinlich in " ". Weil ich das Gefühl habe, dass die Menschen um mich herum, das als sehr gute Nachricht lesen würden ... und bei mir löst es erst einmal Panik aus, vielleicht auch Überforderung
Ich frage mich warum ich das gemacht habe, warum habe ich das von mir gezeigt? da ist das große Bedürfnis zurück zu kriechen ins Versteck...so viel Angst
Und ich weiß es noch,ich weiß noch das ich meinen Text gelesen habe und dachte, dass ich das nicht verstecken muss, dass das alles stimmt ... verflucht ...

und nun fühle ich mich als würde ich auf Treibsand stehen und jede noch so kleine Bewegung lässt mich weiter einsinken.

ich strenge mich an um den Alltag zu stemmen und reagiere sehr empfindlich wenn ich kritisiert werde bzw. ich mich kritisiert fühle. Ich bin müde und will mich doch nicht ausruhen, weil die Ruhe fühlt sich gefährlich an.

Ich fühle mich wie ein Alien. so als würde ich nicht wirklich dazu gehören. Und ich merke, dass es anders sein könnte und da wollte/will ich mit meinem Schritt aus dem Versteck auch eigentlich hin, aber irgendwie hat mich das zurück geworfen. ich weiß nicht so genau was da gerade passiert, vielleicht ist es auch die Abwehr die dadurch hervor gerufen wurde.

ich frage mich gerade wie verständlich das ist was ich hier schreibe und bevor ich es nochmal lese und dann wahrscheinlich lösche. höre ich lieber auf zu schreiben und schicke es ab.
Aufatmende
Beiträge: 1857
Registriert: Mi Jul 17, 2013 10:26 pm
Wohnort: hinter den Bergen bei den sieben Zwergen

Re: aus dem Versteck

Beitrag von Aufatmende »

Das ist absolut verständlich! Das Neue versuchst du zu leben und das Alte bremst.
Mir hilft: die alten Verhaltensweisen haben mir geholfen, zu überleben. Die neuen wären lebensgefährlich gewesen und fühlen sich immer noch so an. Ich versuche, möglichst viel den Tätern zurück zu geben und 50x am Tag: heute ist es anders, weil...... zu sagen.
Rückfälle sind Vorfälle!
Antworten