War die Therapie zu intensiv???

Hier findet Ihr einen Raum, in dem Ihr über alles reden könnt, was in den anderen Foren keinen Platz hat.
Jessi

War die Therapie zu intensiv???

Beitrag von Jessi »

Guten Morgen,

kann eine Therapie zu intensiv sein? Bzw. meine Therapie ist schon länger vorbei, aber ich bekomme meine Therapeutin nicht aus dem Kopf. Entschuldigt die Wortwahl, aber ich habe das Gefühl, dass sie so tief emotional in mich eingedrungen ist, dass ich immer noch jeden Tag an sie denke.

Das Trauma konnte ich mit ihrer Hilfe gut bearbeiten, aber es ist doch nicht normal, dass sie immer noch in meinen Gedanken ist... Geht es jemandem ähnlich? Ich bin aktuell auch auf der Suche nach jemand neuem, mit dem ich darüber reden kann, weil ich mittlerweile das Gefühl habe, dass ich Probleme mit Bindung habe, in dem Fall mit dem loslassen. Leider gibt es ja sehr lange Wartelisten.

Macht es Sinn, bei ihr selber nochmal nach Therapiestunden nachzufragen, weil ich dann mit ihr selber darüber reden könnte?

Ich bin gerade echt ein wenig verzweifelt, weil mich diese ganzen Emotionen immer wieder einholen.

Viele Grüße
Jessi
Leben?
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Re: War die Therapie zu intensiv???

Beitrag von Leben? »

Es gibt immer wieder Begegnungen mit anderen Menschen im Leben, welche eine Spur in uns hinterlassen. Die einen positiv, die anderen negativ.

Einige wenige vergisst man auch nach Jahrzehnten nicht.

Wie konntet ihr denn damals den Abschied vorbereiten? Gab es da genügend Raum auch übers Loslassen zu reden? Eventuell ein kleines Zeremoniell oder ein Geschenk etc zum Abschied?

Hilft es dir vielleicht einen Brief zu schreiben und ihn den Elementen wie Feuer oder Wasser anzuvertrauen, um damit einen würdigen Abschied für dich zu finden?

Welcher Anteil in dir trauert denn um deine Therapeutin? Ist es eventuell ein kindlicher Anteil der sich nach etwas sehnt? Danach gesehen und gehört zu werden? Nach Liebe und Zuneigung?

Was versprichst du dir davon es in einer weiteren Therapie anzuschauen?

Wie verlief in deinem Leben ansonsten das Thema Abschied? Gibt es da noch mehr offene unvollendete Veränderungen in deinem Leben?
Pianolullaby
Beiträge: 125
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Re: War die Therapie zu intensiv???

Beitrag von Pianolullaby »

Hmm, wie lange ist es denn schon vorbei?
Und was erhoffst Du Dir von einer neuen Thera, bzw. wie und warum möchtest du nochmals bei ihr was beginnen?
Jessi

Re: War die Therapie zu intensiv???

Beitrag von Jessi »

Guten Abend zusammen,

@Leben?
Die Spur, die sie hinterlassen hat, ist schon positiv. Aber ich denke, dass es trotzdem nicht normal ist, dass sie täglich in meinen Gedanken ist.

Den Abschied haben wir eigentlich sehr schön gestaltet, aber er kam, obwohl ich wusste, wieviel Stunden wir bis dahin noch hatten, dann doch relativ schnell. Wir haben bis ca. 2 Stunden vor dem Ende noch an den schwierigen Themen gearbeitet und es waren dann auch keine Stunden mehr übrig für eine Rezidivprophylaxe, auch wenn wir die Stunden gegen Ende zeitlich gestreckt haben.

Ich weiß nicht, was ich mir davon versprechen würde, auf Therapiesuche bin ich ja sowieso noch wegen anderer Themen. Ich denke, dass diese Intensivität vielleicht auch durchgesprochen werden müsste. Ob mir ihr selber oder jemand anderen wäre noch die kleinste Frage. Es beschäftigt mich einfach viel zu häufig (denke ich, und das kann doch nicht normal sein, oder?)

Während der Therapie kam ein Thema auf, was zumindest einen Teil meiner Vergangenheit, meiner frühen Kindheit in einem anderen Licht erscheinen lässt. Vielleicht gab es da auch Bindungsprobleme. Ich bin mir aber nicht sicher darüber. Aber vielleicht besteht da ein Zusammenhang mit der jetzigen "Problematik".

@Pianolullaby
Über ein Jahr ist der Abschied her.

Von einer neuen Therapie erhoffe ich mir die weitere Verbesserung meiner Probleme (es konnte nicht alles in der Therapie bearbeitet werden). Bei ihr würde ich die Therapie schon gerne weitermachen / neu beginnen, weil ich sie gut kenne und ihr vertraue. Das würde ja schon "Stunden sparen bzw. auch Kosten, wenn ich selber zahlen muss").

Andererseits kann eine neue Therapeutin auch neue Impulse setzen. Und die neue Therapeutin (ich habe evtl. einen Platz in Aussicht, allerdings kann das noch dauern bis 2024, wenn ich nicht ganz viel Glück habe) wäre nicht so weit weg, wie meine vorherige.

Jessi
Eli

Re: War die Therapie zu intensiv???

Beitrag von Eli »

Hallo Jessi

Also ich kenne dieses Thema sehr gut. Ich habe jahrelang an zwei frühere TherapeutInnen gedacht. Nachdem die Therapien lang vorbei waren. Und nicht nur gedacht sondern auch gelitten. Ich war traurig und wütend aus verschiedenen gründen.

Wenn es ok ist sag ich dir mal was ich denke und wie es bei mir war. Nichts davon muss passen.

Aus meiner Erfahrung ist es oft in Therapien so dass man zu emotional abhängig wird und dann der Abschied nicht funktioniert und viele TherapeutInnen das auch nicht gut können einen Abschied gestalten und eben vorher darauf zu achten dass man nicht zu abhängig wird und viel selbst macht. Gerade für uns als bedürftige Trauma Patienten ist das ein Balanceakt.
Ich weiss nicht ob das eine tiefenpsychologische Therapie war aber es klingt so. Für mich war dieser schlechte Abschied sehr schlimm und hatte klar was mit den bindungstraumata zu tun.

Vielleicht kann es hilfreich sein auch erstmal keine Therapie zu machen. Sondern zu erleben und zu auszuprobieren was du alles gelernt hast. Und zu erleben du kannst auch vieles allein schaffen und auch vieles in nicht therapeutischen Beziehungen an gutem finden was auch manchmal unkomplizierter ist als in einer therapeutischen Beziehung. Mir hat das sehr gut getan einige Jahre. Gilt natürlich wenn du starke Symptome wie starkes svv oder starkes Untergewicht hast oder suizidal bist.
Man verändert und entwickelt sich auch ohne Therapie, es ist auch ein Irrglauben zu denken man könne und müsste alles in einer Therapie bearbeiten.
Die Frage wäre ob eine neue Therapie nur den Sinn hat den Schmerz über den Abschied zu übertünchen? Oder was genau noch gelöst werden soll was auf jeden Fall nur in einer Therapie bearbeitet werden kann?

Ich will dir das nicht ausreden, gebe aber eben zu bedenken, wie toll auch das Gefühl von Autonomie und selbst allein etwas schaffen sein kann gerade nach so einer Erfahrung der langen und großen Abhängigkeit.

Zu der alten thera würde ich auf keinen Fall wieder gehen. Wie du schon sagst braucht man neue Impulse und es wichtig jetzt den Abschied auszuhalten und auch selbst zu gestalten zb durch ein Trauer Ritual. Den Abschied von der alten thera in einer neuen therapie zu bearbeiten klingt für mich erstmal...schwierig. um es mal so auszudrücken.
Hast du Freunde mit denen du drüber reden kannst? Vielleicht 1,2 Beratungsstelle?

Außerdem hat man wenig Vergleich. Die thera die ich so toll fand und um die ich so getrauert habe finde ich heute nur noch sch...das ist jetzt eine Ausnahme, aber man weiss eben nicht, dass manche Therapeuten vielleicht viel besser sind und man da nochmal mehr lernen kann wenn man immer nur die eine hat.

Ich wünsch dir alles gute und gute Entscheidungen

Eli
herzkrank
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Re: War die Therapie zu intensiv???

Beitrag von herzkrank »

ich finde nicht, dass es so etwas wie "zu intensiv" oder "nicht normal" gibt. du denkst täglich an sie und das braucht doch keine bewertung. vielleicht gab es etwas, dass viel in dir berührt hat. oder ihr habt etwas erarbeitet, was du jetzt nochmal brauchst oder sich verändern will.
also ich finde es gibt schlimmeres, als an eine therapeutin zu denken. wieso bereitet es dir solche sorgen? welche gedanken hast du denn?

generell kann eine therapie zu intensiv sein. wenn du trauma bearbeitest, aber noch nicht ausreichend stabilität um damit umzugehen. aber gedanken an die therapeutin sind da kein symptom.
bist du verliebt in sie?

ich finde es sehr mutig von dir, die jetzige situation mit ihr nochmal besprechen zu wollen. und ihr könnt ja dann gemeinsam schauen, ob sie dir mit den offenen themen noch weiterhelfen kann und will oder du besser zu jemand anders gehen sollst
Aufatmende
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Wohnort: hinter den Bergen bei den sieben Zwergen

Re: War die Therapie zu intensiv???

Beitrag von Aufatmende »

Ich hatte eine gute, aber in Traumatherapie unerfahrene Therapeutin, einen echten Fehlgriff von therapeutischer Selbstüberschätzung und meine jetzige Therapeutin. Ich denke an alle drei noch viel, weil ich ohne sie nicht mehr leben würde. Ich habe auch noch manche ihrer Sätze im Ohr und meine jetzige Therapeutin hat sogar einen Platz an meinem sicheren inneren Ort. Sie sagt, das ist nicht sie. Sondern das, was ich aus ihr mache, sozusagen meine innere Therapeutin.
Als ich im Krankenhaus war, musste ich Innenpersonen in einem Raumschiff in Sicherheit bringen. Mit meiner Therapeutin hatte ich vorher abgesprochenen WhatsApp Kontakt. Sie scherzte dann, sie sei jetzt mein persönlicher Holo-Doc.
Ich weiß aber, dass ich jederzeit, wenn auch nicht gerade mitten in einer Traumakonfrontation, ohne sie auskomme.
Rückfälle sind Vorfälle!
Jessi

Re: War die Therapie zu intensiv???

Beitrag von Jessi »

Hallo zusammen,

@Eli
danke für Deinen Einblick.

Das mit der Traurigkeit kenne ich auch ein Stück weit. Vermutlich, weil es in der Therapie so emotional und ich will nicht freundschaftlich schreiben, weil es das nicht war, aber halt schon eine enge, gute Verbindung zwischen uns.

Bei mir war es eine VT mit der wir das Trauma behandelt haben. Ich bin ja jetzt weit über ein Jahr ohne Therapie, aber seit ein paar Monaten sind auch wieder suizidale Gedanken dazugekommen und ich merke, dass mir Ängste sehr zu schaffen machen. Aufgrund der Lockdowns während Corona konnte da fast gar nichts gemacht werden und so haben wir uns ganz klar auf das Trauma fokussiert.

Nein, eine neue Therapie wäre in erster Linie dazu da, noch an den anderen Problemfeldern zu arbeiten, aber halt auch noch mal auf die vergangene Therapie und die Verbindung zueinander zu schauen.

@herzkrank
Nein, verliebt bin ich nicht in sie. Ich denke, dass es nicht normal ist, so häufig an sie zu denken, da es ja "nur" eine Arbeitsbeziehung ist. Auch wenn natürlich eine Traumatherapie nicht mit einer, ich sag mal regelmäßigen Blutdruckkontrolle beim Hausarzt zu vergleichen ist. (blöder Vergleich, mir ist nichts anderes eingefallen, aber ich denke, ihr wisst, wie ich das meine).

@Aufatmende
Ich hatte auch schon Erfahrungen bei schlechten Therapeuten, guten und dann der, die am besten zu mir und meinen Problemen gepasst hat. Wie Du schreibst, ist Deine Thera sogar in Deinem sicheren inneren Ort. Vielleicht ist meine Therapeutin bzw. meine Gedanken an sie vielleicht auch so was, wie der Gedanke an einen sicheren Ort.

Der Gedanke kam mir gerade beim lesen Deines Beitrages. Vielleicht ist das "mein Anker", dass ich auch in gewissen Situationen an sie denke, oder etwas, was sie mir gesagt hat, was mir dann in dem Moment ein Gefühl der Sicherheit gibt....

Liebe Grüße
Jessi
herzkrank
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Re: War die Therapie zu intensiv???

Beitrag von herzkrank »

was wär denn jeweils für dich das ergebnis, wenn drei leute sagen, nein, das ist ganz normal? oder alle sagen, das ist nicht normal? was ändert es für dich?

ich denke, es ist auf jeden fall üblich, viel an eine therapeutin zu denken. es ist ja für lange zeit eine ganz bedeutende person. so wie wir manchmal oft an eltern oder partner oder kinder denken. sicherlich immer abhängig davon, ist es die erste therapeutin, wieviele aktivitäten habe ich sonst in meinem leben, mit wie vielen menschen führe ich so offene gespräche..

für mich klingt das, was du schreibst, nach einer guten wahl dich nochmal an sie zu wenden. wie war deine entscheidung?
Gast

Re: War die Therapie zu intensiv???

Beitrag von Gast »

Hallo herzkrank,

das würde wohl nichts an meinen Gedanken ändern oder die Häufigkeit, mit der ich an sie denke.

Eine Therapie ist eine sehr intime Situation irgendwie. Man redet dort über die Sachen, die man vielleicht selbst einem Partner oder einer guten Freundin nicht erzählen würde. Eine Partnerschaft habe ich nicht (das fällt also raus), eine gute Freundin weiß schon einiges, aber eher "die Fakten" und nicht die Gefühle.

Ich bin seit kurzem wieder bei ihr in Therapie. Eine gute Entscheidung, da wir diesmal den Fokus eher auf das Thema zwischenmenschliche Beziehungen legen.

LG
Jessi
herzkrank
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Re: War die Therapie zu intensiv???

Beitrag von herzkrank »

das freut mich, dass du dich entscheiden konntest und es sich für dich stimmig anfühlt. gutes gelingen weiterhin für das so hilfreiche thema
Gast

Re: War die Therapie zu intensiv???

Beitrag von Gast »

Vielen Dank. Ich wünsche mir, dass es mir viel bringen wird.

Jessi
herzkrank
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Re: War die Therapie zu intensiv???

Beitrag von herzkrank »

vielleicht bringt es nicht so viel wie gewünscht, aber wieder einen baustein für das neue haus namens leben
Gast

Re: War die Therapie zu intensiv???

Beitrag von Gast »

Auf jeden Fall wieder ein Schritt in die richtige Richtung!

Gruss Jessi
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