Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

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Laura
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Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Laura »

Krasse Wochen. Heftige Verarbeitung. Und immer immer wieder tapfer durch.

So langsam platzt der Knoten!

Das Trauma war in der Vergangenheit! Und die Vergangenheit ist vorbei!
Laura
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Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Laura »

ME-CFS nimmt kein Ende. Ich bin nun 1.5 Jahre aus dem Leben gerissen. Bald endet das Krankengeld. So viel Unsicherheit. Ich habe Angst vor der Erwerbsminderungsrente, weil mein Arbeitgeber mir dann kündigen wird. Es war so ein Kampf, diesen Job zu finden. Mein Leben besteht aus Unsicherheit. So viel in der Luft hängen. So viele Therapieversuche. So viele Arzttermine. Unzählbar. Nichts geht einfach so, alles ist unendlich zäh und dauert... keine Medikamente. Keine Unterstützung. Niemand weiß, ob ich jemals wieder gesund werde.

Gleichzeitig habe ich den Eindruck, dass ich das Leben in der letzten Zeit intensiver gelebt habe, als jemals zuvor. Obwohl ich so stark eingeschränkt bin. Obwohl nur so wenig Leben vorhanden ist. Ich Klammer mich an jedes bisschen Lebensqualität, das vorhanden ist. Ich lebe in den guten Momenten. Jeder gute Moment der Ausgelassenheit wird aufgesaugt und festgehalten. Ein so ganz anderes Leben, als ich es jemals gedacht hätte. Insgesamt bin ich erstaunlich positiv. Ich lache so oft es irgendwie geht. Denn es gibt genügend Tage der absoluten Schwäche und der Schmerzen, wo nicht so viel möglich ist. Trotzdem klammere ich mich an mein Leben. Ein Leben, das so viele Jahre von Suizidgedanken geprägt war. Das ist Vergangenheit - nun hänge ich an jedem bisschen Leben, was da ist. Man muss sein Leben wohl fast verlieren, bevor man es schätzen weiss. Für jede kleine Verbesserung, für jeden guten Moment empfinde ich tiefe Dankbarkeit. Dankbarkeit, Demut, Geduld, Frustrationstoleranz. Das habe ich gelernt. Wer keine Energie hat, überlegt es sich dreimal, ob es sich lohnt, sich über etwas aufzuregen.

Und in diesem Vakuum der Krankheit, in der Erbarmungskosigkeit von ME-CFS mit Belastungsintoleranz, Crashs und Tagen der absoluten Kraftlosigkeit zeigt sich das Trauma dann doch wieder.

Auf eine intensive, erbarmungslose Art zeigen sich alte Emotionen und Körpererinnerungen. Unendlicher, zerreißender Schmerz. Ich bin damals in unzählbare Anteile zersplittert, damit ich das ertragen und vergessen konnte. Jahre der Therapie und des Zusammensetzens und auch das geht nun weiter. Intensiv. Mit ganz wenig Energie. Jede Abreaktion, jedes schmerzerfüllte zerreissende Weinen und Zittern kostet unendlich viel Energie. Alles hat seinen Preis. Den Scherbenhaufen zusammensetzen und die vielen abgespaltenen Anteile wieder einsammeln, das kostet so viel Kraft.

Mittlerweile nehme ich meine Vergangenheit an und das Gefühl, dass die Vergangenheit vorbei ist, hat sich eingestellt. Gleichzeitig ist die Erkenntnis da: mir ist das passiert. Mir. Das alles ist mir passiert.

Jetzt begreife ich, was damit gemeint ist, dass man annehmen muss, bevor man loslassen kann. All diese zerbrochenen, schwerst verletzten Anteile bin ich. Und es ist vorbei. Ich konnte nichts dafür! Ich trage keine Schuld! Und ich trage auch keine Schuld dafür, dass der Kampf mit mir selbst, so lange gedauert hat und auch noch andauert. Ich konnte nur weiterleben, weil ich das alles auf so viele Schultern aufgeteilt habe. Und weil es damit so weit weg gewesen und schwer zugänglich gewesen ist.

Es ist vorbei. Es ist in der Vergangenheit. Und es ist mir passiert!
Heute Gast

Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Heute Gast »

Hallo Laura,

Warum sollte dein Chef dir kündigen wenn du Erwerbsunfähig werden solltest? Im Thread von sh schreibst du doch, dass deinem Chef die Hände gebunden sind wegen GdB.
Und Erwerbsunfähigkeit heißt doch noch lange nicht, daß ein Chef einen los werden möchte. Und man darf ja trotzdem arbeiten wenn man erwerbsunfähig werden sollte, natürlich nur weniger.

Ich bin selber voll erwerbsunfähig wegen der Traumafolgen, der chef hätte niemals gekündigt, obwohl es damals nicht mal nen Antrag auf GdB gab.

Ich arbeite trotzdem noch im Rahmen der erlaubten Zeiten und soweit es durch eine Krebserkrankung die noch oben drauf kam überhaupt möglich ist. Aber Arbeit ist hier eine riesen Ressource. Auch wenn das bisschen Arbeit oft kaum zu schaffen scheint. Es lohnt sich es zu versuchen, viele Stunden darf man bei voller Erwerbsunfähigkei eh nicht machen

Und vielleicht baut es dich ein wenig auf: mehrere aus meinem Umfeld hatten auch Probleme mit Long Covid. Teilweise extremst, es war nichtmal der Gang zur Toilette möglich wegen Schwäche!!!! Aber es wird bei allen besser, und zwar so viel besser, wie es niemand von ihnen jemals erwartet hätte. Es kommt neue Lebensenergie wie niemand gedacht hätte, das ist absolut toll und bemerkenswert wie stark die sich da durch gekämpft haben.

Also lass den Kopf nicht hängen, die Chancen stehen sehr gut, dass es wieder gut wird!! Vielleicht brauchst du ja keine erwerbsminderung, und selbst wenn, dann ist das ja eh nur vorübergehend.

Gute Besserung
Laura
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Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Laura »

Hey Gast,
der Konzern in dem ich arbeite, hat das Recht mich bei Erwerbsminderungsrente zu kündigen. Die Chefin von der Abteilung Soziale Dienste hätte mich am liebsten direkt vor die Tür gesetzt. Ich vermute, dass ich die Kündigung ausschließen deswegen nicht auf dem Tisch habe, weil ich mit dem GDB von 50 aktuell nicht zu kicken bin. Dieser Schutz besteht aber bei EU Rente nicht mehr so pauschal. 🙄 klar können sie kulant sein, sie müssen es aber nicht!

Lieben Dank für deinen Zuspruch! 🍀🤞

Ich setze alles darauf, wieder gesund zu werden. Ich glaube fest daran und bin zutiefst davon überzeugt. Das trägt mit Sicherheit auch zur Heilung bei. Sollte ich es aber nicht schaffen und weiterhin Belastungsintoleranz haben, dann werde ich auf keinen Fall einen Arbeitsversuch starten. Die so genannte Post Exertional Malaise (PEM) ist eine unverhältnismäßige Zustandsverschlechterung nach Teils geringer Belastung. Keine andere Krankheit hat dieses Miese Symptom.... Im Vergleich zu vor einem Jahr habe ich aktuell Lebensqualität. Die werde ich für keinen Job der Welt riskieren! Ich kenne Menschen, die bereits meinen Zustand erreicht hatten und die durch Überlastung in die Bettlägerigkeit gekommen sind. Um ganz ehrlich zu sein, ich wische meinen Po ganz gerne selbst ab! 🙈 Dann lieber das Leben so weiter leben, wie es aktuell möglich ist!

Ganz neue Töne, wenn ich Mal mein Leistung motiviertes Selbst von vor ein paar Jahren ansehe. 😅😎

Alles Liebe
Laura
Heute Gast

Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Heute Gast »

Hallo Laura,

Dann wünsche ich dir viel Erfolg für deinen erwerbsminderungsrente Antrag.
Du schreibst so selbstbewusst, daß du nicht arbeiten willst um deine Gesundheit nicht zu gefährden... kommst du denn mit der Rente (falls sie genehmigt wird) finanziell klar? Das ist doch einiges weniger als Krankengeld. Du kannst dir das im Vorfeld ausrechnen lassen und vielleicht mal beim Finanzamt anfragen was noch an Steuern abgezogen wird.

Belastungsintoleranz ist denke ich nicht nur ein Phänomen von Long Covid. Wie kommst du darauf, dass PEM nur dabei ist? Das ist leider bei vielen Erkrankungen ein Symptom.

Alles Gute
Laura
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Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Laura »

Hallo Gast,

danke, aber erstmal baue ich voll und ganz darauf, dass ich gesund werde. Ich stelle mir aktuell noch nicht im geringsten vor, in die EU Rente zu kommen. Finanziell ist das ein sozialer Abstieg. Außerdem würde ich gerne meinen Job behalten.

Nichtsdestotrotz wäre die Rente einer Zustandsverschlechterung in jedem Fall vorzuziehen.

Vermutlich habe ich noch eine Galgenfrist so ca. bis Januar/ Februar.... dann wird sich zeigen, wie gesund ich wieder sein werde.

Post Exertional Malaise ist das Leitsymptom von ME-CFS. Und eine solche massive Zustandsverschlechterung, die null in Verhältnis zur Aktivität steht, gibt es meines Wissens nur bei dieser Erkrankung. Selbst alltägliche Aktivitäten können zu einer so massive Zustandsverschlechterung führen, dass es einem wochenlang deutlich schlechter geht. Auf ganzer Linie: körperlich und kognitiv. Inkl. Reizüberempfindlichkeit etc.
Eine "normale" Fatigue hingegen ist nicht so selten. Aber die kommt üblicherweise ohne PEM.

Rein Interesse halber würde ich tatsächlich gerne wissen, welche Erkrankung das noch hat?

Selbst Patienten mit Fatigue aufgrund von einer so schweren erkrank wie Krebs profitieren gemäß Studien ganz offensichtlich von Aktivierung. Einen ME-CFS Patienten kann das in die Bettlägerigkeit und ein Leben in Jahrelanger Dunkelheit bringen, da Tageslicht nicht mehr toleriert werden kann. Schon gemein und grausam.

Alles Liebe
Laura
Heute Gast

Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Heute Gast »

Laura hat geschrieben: Di Aug 29, 2023 8:59 pm Bald endet das Krankengeld. So viel Unsicherheit. Ich habe Angst vor der Erwerbsminderungsrente, weil mein Arbeitgeber mir dann kündigen wird.
Hier hattest du das doch geschrieben mit der EU Rente...??

Du fragst wegen PEM. Das wurde auf Station PEM Belastungs Syndrom genannt. Offiziell von ärztlicher Seite. Und leider hält sich nicht jede Erkrankung an Studien...
Laura
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Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Laura »

Ja, aber endendes Krankengeld bedeutet noch nicht sofort EU Rente... wenn ich es geschickt anstelle, dann kann ich den Vorgang ggf. noch etwas in die Länge ziehen. In der Zeit würde ALG 1 im Rahmen der Nahtlosigkeit gezahlt werden. Da bin ich aktuell dran. Das Amt wird mich zur Reha auffordern. Die war zwar letztes Jahr ein totales Fiasko und hat zur Zustandsverschlechterung geführt.... aber ich baue auf möglichst lange Bearbeitungszeiten von der RV. Wartezeit für die Klinik beträgt aktuell 2-3 Monate. Mit ein bisschen Glück habe ich aktuell eine Galgenfrist bis Januar/ Februar. Dann wird die Luft dünn. 🤷🏼‍♀️🙄 es ist ja nicht so, als hätte ich nicht bisher schon alle Hebel in Bewegung gesetzt. Meine gesamten Ersparnisse sind für Therapie drauf gegangen. Ich hoffe sehr, dass mein Körper langsam die Dringlichkeit begreift und wieder gesund wird. Wir werden sehen.... im worst case wird es halt die Rente.... mit 34.... 🥺😢 nein das will ich nicht.... aber wie speziell wir alle hier wissen.... das Leben ist eben kein Wunschkonzert und man sucht sich die Scheisse nicht unbedingt aus. Sie kommt halt. 🙄

Wahnsinn! Das kennen leider immer noch kaum Ärzte. Dann sind sie bei euch ja schon sehr fortschrittlich! "Ach Sie sind müde".... wie oft ich das schon gehört habe! Das trifft es leider nicht Mal im Ansatz!!!

Neee Krankheit hält sich nicht an Studien und Statistiken. Es ist immer nur eine mögliche Indikation oder Richtung. Und niemand will krank sein!
Laura
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Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Laura »

Sehr sehr anstrengende Wochen. Und wieder wurde ein Teil des Traumas hochgespült. Es sind längst keine Bilder mehr. Nur noch Emotionen. Einfach nur zerreißender, tiefer Schmerz. Unaussprechliche Traurigkeit.

Ich trage eine Unmenge an Schmerz in mir. Es ist wirklich erstaunlich, dass ich in meinem Leben doch so viel auf die Reihe bekommen habe. Das hätte auch ganz schön anders laufen können. Dafür bin ich sehr dankbar!

Es ist mir passiert. Ich konnte es nicht aussprechen. Ich habe es vergessen. Ich bin missbraucht worden. G. ist der Täter. Ich trage keine Schuld. Ich habe nichts falsch gemacht. Ich habe mich gewehrt. Meine Familie steht zu mir. Meine Familie liebt mich. Ich habe alles getan, um mich zu wehren. Ich konnte es nicht aussprechen. Ich trage keine Schuld. Ich vergebe mir selbst. Ich vergebe meiner Familie ihre Unfähigkeit das zu sehen. Ich vergebe G. und entlasse ihn aus der Verbindung zu mir.

Das ist in meinem Kopf, wenn der Schmerz sich zeigt.

Eine deutliche Veränderung zu früher. Da ging es eher um Selbsthass und Tod.

Spaß macht das trotzdem nicht. Es ist eine heftige Qual. So viel Schmerz habe ich schon losgelassen in der Vergangenheit. Aber das ganz offensichtlich noch nicht...

Die Erkenntnis, dass ich das gewesen bin, ist so langsam wirklich angekommen. MIR ist das alles passiert. Ich wurde missbraucht. Das ist meine Vergangenheit. Erstaunlich, wie ich einfach jahrelang Therapie machen kann und einen Anteil nach dem anderen aufsammeln konnte, Schmerzen zulassen und mich veränderen konnte.... und trotzdem habe ich es innerlich doch irgendwie von mir fern halten können. Das ist ausschließlich möglich, weil es so früh passiert ist und ich es auf so viele Anteile verteilt habe.

Aktuell führt das "an mich Ran lassen" dazu, dass ich es mehr als deutlich in meinem Körper spüre, wie der Schmerz raus will. Das ist kein normales Weinen. Es ist der pure Schmerz. Öfter Mal was Neues.

Ein Mensch, der SO VIEL zerreissenden Schmerz in sich trägt, kann es sich nicht einbilden. Es ist passiert, auch wenn die Erinnerung zersplittert, fragmentiert und unsortiert gespeichert ist. 2.-5. LJ.... da entsteht die Persönlichkeit.... wie kann man einem so kleinen und reinen Wesen, solche Grausamkeiten antun? Wenn ich den Schmerz erlebe, der aktuell hoch kommt, dann ist es kein Wunder, dass ein so kleiner Mensch, nicht anders konnte, als zu vergessen. Ich halte es ja schon kaum aus. Wie kann eine kleine Maus so was ertragen, wenn das Maximum an Schmerz, dass sie erleben sollte, ein aufgeschlagenes Knie ist?!?

Aber ich habe es überlebt. Und ich lebe.

Es ist MEINE Vergangenheit. Und sie existiert nicht mehr. Die Vergangenheit existiert ausschließlich in unseren Erinnerungen. Sie ist nicht mehr real.

Je mehr los loslasse, desto mehr Energie hat mein ME-CFS geschundener Körper. Je mehr ich es unterdrücke, desto schlimmer ist mein Zustand. Desto größer die Belastungsintoleranz und die Schmerzen. Also bleibt mir gar nichts anderes, als den Schmerz der Vergangenheit loszulassen.... verrückt das alles. Schlimm. Hart. Anstrengend. Grausam.

Verdient hat das kein Mensch.
Laura
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Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Laura »

Harte Arbeit zahlt sich irgendwann aus!

Ich war in letzter Zeit extrem tapfer und habe mich immer und immer wieder den alten Emotionen gestellt und sie zugelassen. Es war wirklich hart und sehr schlimm! Ich habe das Gefühl, dass ich ein wandelnder Schmerz Speicher bin. Es ist ein Wunder, dass ich trotz Traumatisierung so gut durchs Leben gegangen bin und nicht daran zerbrochen bin. Irgendwie habe ich überlebt. Und ich lebe noch.

Ich fühle mich psychisch mittlerweile so gesund und aufgeräumt wie noch nie zuvor in meinem Leben. Suizidgedanken, Flashbacks und Depressionen habe ich schon wirklich lange nicht mehr. Die Cannabissucht ist in der Vergessenheit gelandet.

Es hat sich ganz offensichtlich gelohnt Anteil für Anteil durchzuarbeiten und das alles zuzulassen. Der MB hat mich in sehr viele Anteile zersplittern lassen. Alle möglichen Fetzen waren zerteilt. Gleichzeitig jede Menge Körpererinnerungen. So viele Stunden Körpertherapie unzählige körperliche Abreaktionen. Das war so furchtbar anstrengend, das kann man sich nicht vorstellen.

ME-CFS korreliert ganz sicher mit meinem Trauma. Es war für mich die Chance, um die erforderliche Zeit und Ruhe zu bekommen, die das Trauma eingefordert hat. Heilung braucht Zeit. Viel Zeit! Im normalen Alltag gibt es dafür keine Zeit!

Die Krankheit hat mich gelehrt, dass mein Leben wertvoll ist. Manchmal muss man sein Leben fast verlieren, um wirklich zu begreifen, wie wertvoll es ist. Ich habe gelernt, dass ich am Leben hänge und es nicht aufgeben möchte. Die kleinen Dinge des Lebens sind so wertvoll, wenn manchmal kaum Leben da ist. Ich empfinde tiefe Dankbarkeit und Demut für diese Erkenntnisse!

Die Zerrissenheit in mir hat sich gelegt. In mein chaotisches Innenleben ist Ruhe eingekehrt. Ich würde sagen, dass ich mittlerweile so ziemlich alle isolierten, traumatisierten Anteile aufgedeckt habe und sie mit der Realität der Sicherheit des Hier und Jetzt vertraut gemacht habe. Und ich habe sie mit ihren krassen Dimensionen an Leid und Schmerz gesehen und gewürdigt. Kein Spaziergang! Das war ein Gang durch die Hölle. Und ich verstehe, wieso ich das alles vergessen habe. Wenn ich das kaum ertragen kann, wie soll ein kleines Kind so etwas aushalten!

Es fühlt sich mittlerweile so an, als wären die Anteile zusammengewachsen und nicht mehr isoliert. Das alles bin ich und alles ist miteinander vereint. Das hat plötzlich zur Folge, dass ich meinen Körper ganz anders wahrnehme. Ich fühle mich in meinem Körper Zuhause. Ich spüre meinen Körper als Teil von mir. Und ich empfinde tiefe Selbstliebe und wirklich großes Mitgefühl mit mir selbst, meiner Vergangenheit und meinem ganzen Leid.

Der letzte Termin mit meinem Therapeuten war nochmal zum Thema Inneres Kind in tiefer Hypnose. Das ist nicht das erste Mal und war eine Qual. Gerade ganz am Anfang. Ich habe mein inneres Kind zutiefst verachtet und vollkommen abgelehnt - ja verabscheut und gehasst. Aus heutiger Sicht verstehe ich das. Und ich verstehe auch, weshalb ich damals an der Stelle keine Fortschritte machen konnte. Wie soll ich sie annehmen und lieben, wenn ich sie nicht sehen kann/ will und ablehne.

Dieses Mal war es grundlegend anders. Ich habe mich selbst gesehen, so klein, verletzt und allein gelassen mit all dem Schmerz. Ausgeliefert und voller Schuld und Selbstvorwürfe dafür, dass ich mich nicht wehren konnte, ich so sprachlos gewesen bin und ich letztendlich alles vergessen habe. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich daran denke, wie nicht Mal ich selbst mich geliebt habe und wie tief ich dieses kleine verletze Selbst verabscheut habe.

Ich konnte sie annehmen und sie in ihrem ganzen Leid sehen. Sie trösten und als Teil von mir in mein Herz einladen. In Sicherheit und nicht mehr alleine.

Da ist noch Schmerz. Und da sind auch noch ein paar verschüttete Emotionen, die gefühlt werden wollen. Aber ich fühle mich in mir gestärkt, indem ich mich selbst angenommen habe, mir selbst vergeben habe und mich selbst liebe.

Ich vermute dass das ganz entscheidende Schritte in meiner Heilung gewesen sind.

Letzte Woche habe ich mich erneut mit Corona infiziert. Ein unglaublicher Alptraum und ich hatte extrem Angst vor einem Rückfall. Mein Kopf war wie entzündet, kognitiv ging es auf Talfahrt und ich konnte kaum noch aufstehen. Paxlovid hat das ganze gestoppt und ich denke, dass ich an einer nachhaltigen Zustandsverschlechterung vorbei gekommen bin.

Das fällt nun mit tiefgreifenden Veränderungen im Trauma zusammen. Ich bin zuversichtlich und glaube fest daran, nun bald wieder ganz gesund zu werden. Das wünsche ich mir aus tiefster Seele!
A.Rhiannon
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Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von A.Rhiannon »

Liebe Laura,

vielen Dank fürs Teilen deines Weges, deiner Erfahrungen. Es klingt nach Hoffnung und Mut. Es freut mich, dass du aus der Erkrankung so viel Kraft und Ruhe und ein Umdenken für dich ziehen konntest.
Es liest sich nach einem inzwischen sehr achtsamen und selbstfürsorglichen Umgang. Ich glaube das ist ganz viel wert.
Heilung braucht Zeit. Viel Zeit! Im normalen Alltag gibt es dafür keine Zeit!
Nur dem hier möchte ich nicht so ganz, so generell zustimmen.
Heilung braucht sehr viel Zeit. Darin stimme ich überein.
Aber ich möchte auch trotzdem daran glauben, dass es auch trotz eines Alltags möglich sein kann zu heilen.
Meiner Vorstellung nach ist es dabei gleichzeitig von immenser Wichtigkeit Pausen zu machen, Grenzen zu setzen und Selbstfürsorge zu betreiben. Und auch das wiederum braucht sehr viel Übung und Zeit.
Dennoch möchte ich daran glauben, dass es mit Alltag möglich sein kann.

Ich wünsche dir weiterhin eine gute Besserung und alles Gute.

Alles Liebe,
A.Rhiannon
"Wenn man ins Universum starrt, ist sein Mittelpunkt nur Kälte. Und Leere. Letztendlich sind wir dem Universum egal. Dem Universum und der Zeit. Deswegen dürfen wir einander nicht egal sein."

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Laura
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Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Laura »

Liebe A.Rhiannon,

Dankeschön! Ein achtsamer und selbstführsorglicher Umhang fast es schön zusammen! 😊

Beides war früher nie der Fall. Ich habe auch viel zu viel gearbeitet. Mein Leistungsanspruch war teilweise ungesund. Vermutlich war die Krankheit für mich der einzige Weg, um das ziemlich drastisch zu stoppen.

In einem normaleren Alltag ist dafür mit Sicherheit mehr Zeit. Bei einer 60+ Stunden Woche eher weniger. Da läuft man ja auch so schon auf dem Zahnfleisch.

Und du schreibst die Schlüssel: Pausen, Abgrenzung, Achtsamkeit, Selbstfürsorge. Man muss sich selbst den Raum geben. Und ich habe für mich festgestellt, dass man es wirklich wollen muss und sich innerlich dafür entscheiden kann, das alles zuzulassen. Das war auch ein Schlüssel.

Einen nicht unerheblichen Teil meiner persönlichen Reise bin ich ja auch im arbeitsfähigen Zustand gegangen und habe es auch recht weit geschafft. Das was ich die letzten Monate durchgemacht habe - also auf psychischer Ebene - hätte ich bestimmt auch irgendwie nebenher geschafft. Aber in einem deutlich längeren Zeitraum. Das war sehr kräftezehrend!

Alles Liebe
Laura
Laura
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Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Laura »

Zielgerade. So fühlt es sich an. Und es ist echt krass schlimm!!!

Wie sehr ich damals gelitten habe. Unfassbar!!!

Körpertherapie hat das ganze jetzt nochmal weiter an die Oberfläche gebracht. Ich spüre einen unfassbaren, zerreißen Schmerz, der kaum auszuhalten ist. Und dieser Schmerz war der Grund dafür, dass ich innerlich gestorben bin. Wahnsinn was für eine Dimension an Schmerz sich da nochmal offenbart. Einfach krass!

Es ist aber anders, als früher. Ich kann es aushalten, ich dissoziiere nicht mehr. Mir ist bewusst, dass ich in Sicherheit bin. Ich umarme mich selbst dabei und habe das Gefühl, mein jüngeres Selbst dabei zu halten und zu trösten.

Der MB steckt im Psoas und im Unterleib. Heute war besonders schlimm. Mehrfach habe ich über Stunden heftigst geweint. Und gezittert. Die ganze Blockade im Psoas wird aktuell rausgezittert. Eine ganz neue Dimension an anstrengend. Und das mit ME-CFS.... Viel mehr, als das schaffe ich gerade nicht.

Es fühlt sich an, als ob ich im Orkan stehen würde. Das Wetter ist so passend zu meiner Lage. Mein Körper und mein Geist lösen sich gerade von Schmerzen, vor denen ich in der Vergangenheit einfach nur Angst hatte.

Ewig wird das wohl nicht gehen. Jetzt einfach durchhalten. Ein paar Tage. Ein bisschen weiter leiden... Wirklich unglaublich schlimm. Aber es ist okay. Ich fühle, dass es jetzt Zeit dafür ist, das hinter mir zu lassen. Einfach loslassen!
Hoffnung

Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Hoffnung »

Hallo Laura,

ich habe deine letzten Beiträge gelesen und bin unfassbar gerührt. Es scheint, als wärst du angekommen. Als hättest du es geschafft. Genau da möchte ich auch irgendwann hin.

Du beschreibst, dass deine Seele total zerfetzt war und du jedes einzelne Teil wieder zusammenbringen musstest. Und genau das fühle ich auch. Ich bin leider noch nicht ansatzweise so weit wie du, aber es macht mir Hoffnung, dass sie all die harte Arbeit irgendwann auszahlt.

Selbstliebe, ein liebevoller und verständnisvoller, sogar fürsorglicher Umgang mit sich selbst sind Dinge, die man von Grund auf neu lernen muss, wenn etwas so schlimmes passiert ist. Man verabscheut sein inneres Kind, man hasst sich oft selbst dafür und will nicht, dass dieser Teil zu einem selbst gehört. Man versteht garnicht, dass man eigentlich so gegen sich lebt und dass eine Heilung so niemals richtig stattfinden kann, wenn man nicht all diese Teile annimmt und akzeptiert. Letztendlich ist ja genau das die Reaktion, die Fürsorge und Geborgenheit, nach der sich unsere inneren Kinder damals so gesehnt haben. Wir sind im erwachsenen Alter die Vertrauensperson, die uns als Kinder so gefehlt haben.

Ich wünsche dir alles Gute und freue mich, dass du es so weit geschafft hast! Das war kein leichter Weg, aber du kannst unfassbar stolz auf dich sein!

Liebe Grüße
Laura
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Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Laura »

Das Trauma steckt im Körper. Nichts Neues. Ich spüre mich selbst nur immer intensiver. Das tut unbeschreiblich weh. Je mehr die Mauer fällt, desto verletzlicher fühle ich mich und desto intensiver spüre ich, was man mir angetan hat. Wie schlimm der MB gewesen ist. Und welche grausame Auswirkungen das auf mein ganzes Leben gehabt hat.

Kognitiv habe ich bereits vor langer Zeit erfasst, dass das Trauma meine Persönlichkeit und mein Handeln beeinflusst hat. Jetzt FÜHLE ich das. Das ist wirklich schlimm. Es ist wie Zwiebeln schälen.... Eine Schicht nach der anderen, immer tiefer. Purer, unfassbarer Schmerz.

Schmerz zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Von frühster Kindheit an kenne ich das Gefühl von tiefem durchdringenden Schmerz, unendlicher Traurigkeit und Einsamkeit. Ich habe mich so falsch gefühlt und so viele Jahre meines Lebens nicht begriffen, weshalb ich so fühle. Ich habe diesen Gefühlen die Daseinsberechtigung entzogen, da sie vermeintlich "falsch" waren. Ich habe versucht mir diese Gefühle abzugewöhnen, sie zu vergessen, nicht mehr so zu fühlen. Früh habe ich gelernt mich wegzuträumen. Auch eine Form der Dissoziation. Oder ich habe die Luft angehalten, um mich nicht mehr zu fühlen. Die Dissoziation von Schmerz, den ich nicht verstehen konnte.

Manchmal war der Schmerz so überwältigend, dass ich das Gefühl hatte, es würde mich zerreißen. Gleichzeitig war ich in Stücke zerrissen. Suizidgedanken waren meine ständigen Begleiter. Von frühster Kindheit an war es normal für mich, dass ich immer mit einem Fuss über dem Abgrund gestanden bin.

Die Schule war die Hölle. Ich war so voller Schmerz und habe mich angreifbar gemacht. Das perfekte Mobbingopfer. Und wieder habe ich versucht mich wegzuträumen, aus dem Moment zu verschwinden, mich aufzulösen. Eine Fassade hochzuziehen. Ich war einfach unbeschreiblich traurig. Heute im Sprachkurs ist mir bewusst geworden, wie ich mich so oft gefühlt hatte, wenn es mir schlecht ging. Genau so wie heute. Das Gefühl innerlich zu brodeln. Irgendwie den Deckel draufhalten. Und das schlimmste dabei war, dass ich nicht verstanden habe, weshalb ich so fühle. Das zieht sich durch Schule, Studium, Berufsleben. Der unaussprechliche Schmerz war immer ein ständiger Begleiter meines Lebens. Meine dunkle Seite. Immer da, manchmal schlummernd. Nie weg! Irgendwann habe ich es perfektioniert hochfunktional zu sein. Wie ein Roboter. Kaum Empfindungen, aber erfolgreich. Manchmal war in mir der Abgrund so weit offen, dass ich mich vor mir selbst geekelt habe. Nach aussen hin Happy face und in mir ein vollkommenes Chaos. Ich habe es überlebt. Es war die Hölle.
Und heute, heute habe ich einfach die Kamera im Sprachkurs ausgemacht und mich raus gezogen. Das war heilsam. Ich muss das nicht mehr aushalten!

Die Folgen des MB ziehen sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Manchmal waren die Emotionen so nah an der Oberfläche, dass sie fast aus mir herausgebrochen wären. Manchmal war ich dem Tod so viel näher, als dem Leben. Da ich damals aber keine Erinnerung an den MB hatte, war ich davon überzeugt, dass meine Gefühle und Emotionen falsch sind. Mein Schmerz, mein inneres Selbst, meine Empfindungen sind falsch und haben keine Daseinsberechtigung.

Das so zu begreifen und so zu fühlen tut mir unendlich weh. Wie grausam ist es, wenn man so großes Leid erlebt hat, dass man zersplittert ist, man so stark dissoziiert ist und dann die volle Härte gegen sich selbst richtet. Ich habe mich selbst aus tiefster Seele verabscheut. Ein tiefer Selbsthass, weil ich nicht begreifen konnte, dass man grundlos so falsch fühlen kann.

Ziemlich grausam. Es war ja nie grundlos. Ich habe immer richtig gefühlt. Der Schmerz hat seine vollkommene Daseinsberechtigung. Es ist ein Wunder, dass ich das überlebt habe!

Der MB und der Schmerz hat so viel von mir geprägt. Meine ganze Persönlichkeit und Verhaltensweisen sind dadurch in eine Richtung gedrängt worden. Ich war nie frei.

Ja es gab auch viele schöne Momente in meinem Leben. Und immer waren diese Momente von einem dunklen Schatten begleitet. Manchmal war dieser Schatten so allumfassend, dass ich den Moment gar nicht genießen konnte. Das stimmt mich sehr traurig. Mir ist viel genommen worden, was mir eigentlich zugestanden hätte.

Der Täter hatte ein paar Momente der Befriedigung. Für mich waren es fast 30 Jahre leiden. Ich arbeite sehr hart an mir. Ich lasse das alles zu, versuche es anzunehmen und damit zu transformieren. Ich möchte heilen.

Das Gefühl nun zusammengewachsen zu sein und nicht mehr so viele Anteile in mir zu tragen besteht fort. Von Tag zu Tag spüre ich mich mehr. Und es zeigt sich immer wieder der Schmerz der Vergangenheit. Ich empfinde ein riesiges Mitgefühl mit meinem inneren Kind und mir selbst. Ich verstehe, weshalb ich das vergessen habe. Wie soll ein kleiner Mensch so etwas ertragen, wenn die Dimension selbst heute kaum auszuhalten ist.

Aber ich halte das aus. Ich dissoziiere nicht mehr. Ich durchfühle das. Ich wollte das nicht. Ich wollte den MB nicht und ich wollte auch nicht das was ich selbst an dysfunktionalen Strategien entwickelt habe, um zu überleben. Ich habe mir das nicht ausgesucht. Ich wünsche niemandem auf der Welt, so etwa erleben zu müssen. Die Folgen des MB sind vielleicht noch schlimmer, als die Tat an sich. Ich empfinde tiefes Mitgefühl mit mir selbst und ich vergebe mir selbst dafür, dass ich nicht anders konnte, um zu überleben.

Bevor es besser wird, muss es wohl nochmal richtig schlimm werden. Und das ist es aktuell. Aber ich bin ein anderer Mensch, als ich das noch vor einer Weile gewesen bin. Ich fühle.

@Hoffnung

Liebe Hoffnung, ich danke dir von Herzen für deine Worte! Du hast so Recht mit all dem, was du schreibst! Deine Worte machen mir auch Mut!

Ich wünsche dir auf deinem Weg auch alles Gute! Durchhalten und für ein besseres Leben kämpfen lohnt sich!!!! 🍀

Alles Liebe
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