Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

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Meereskind
Beiträge: 83
Registriert: Do Okt 05, 2023 3:28 pm

Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Meereskind »

Hallo Laura,
nun ist dein Beitrag schon ein paar Tage her. Ich wollte dir trotzdem sagen,dass ich ihn gelesen habe.
Es spricht so viel Tapferkeit und Kraft aus deinem Text...zumindest lese ich es raus🙂.
Und wie gut,dass du Mitgefühl für die kleine Laura empfinden kannst!!
Laura
Beiträge: 628
Registriert: Sa Jul 25, 2020 9:06 am

Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Laura »

Danke Meereskind! Das tut gut zu lesen! Tapferkeit und Kraft, das stimmt. Und ich bin meiner Kleinen so viel näher, als ich das jemals war. Das ist gut.
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Aktuell werde ich einfach nur vom Leben überrollt. Es läuft unglaublich viel schief. 2 Wasserschäden, ständig Handwerker in meiner Wohnung, Termine organisieren, ständig call center, ALG 1 plötzlich gestrichen, das wieder hin gebogen, BU überweist nur 25% des Geldes weil KK Sozialabgaben fürs letzte Jahr anzieht usw.
.... Energie wird weniger.... ME-CFS wird wieder mehr, Energie Level sinkt dramatisch. Bei der Belastung auch kein Wunder. Ja ich hab mir so viel zurück erkämpft. Aber es reicht nicht zum Arbeiten. Die Uhr tickt, der Reha Antrag ist gestellt. Irgendwann in den nächsten Monaten wird mich die DRV zur Reha zwingen.... Aktuell wäre das ein Fiasko. Langsam wird mir alles zu viel. Ich möchte nicht in die Rente! Ich will meinen Job nicht verlieren. Ich will meine Wohnung nicht verlieren!

Ich habe gekämpft. Ich war so unendlich positiv. Ich kämpfe mich seit fast 2 Jahren durch LC/ ME-CFS und davor jahrelang durch das MB Thema. Ich bin so positiv und optimistisch gewesen. Aber langsam ist echt die Luft raus.... 🥺😥 Ich war so tapfer und bin nebenbei durch die dunklen tiefen Täler der Vergangenheit gegangen! Immer wieder kämpfen. Manchmal frage ich mich, warum ich immer wieder eine neue Ladung oben drauf bekomme.

Hat es nicht schon gereicht, was ich an Leid im Leben erfahren habe? Immer wieder eine Ladung oben drauf.

Ich habe Angst, dass ich nie wieder gesund werde!

Ich will mehr Leben denn je.

Und ich fühle mich so elend und mir ist ständig einfach nur zum Heulen zu mute. Und nebenbei helfe ich meinem verletzen inneren Kind noch weiter zu heilen. Verrückt das alles...

Und mir ist klar, dass ich mir selbst mit der aktuellen Stimmung keinen Gefallen tue. Aber die Luft ist so was von raus.... 😔 Ich mag nicht mehr...
Meereskind
Beiträge: 83
Registriert: Do Okt 05, 2023 3:28 pm

Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Meereskind »

Oh,das klingt wirklich nach ziemlich viel gerade. Wenn du magst,setze ich mich kurz zu dir.
...und wenn dir danach ist,setzt dich doch kurz zu uns in den Thread "unser Haus",da gebe es ein kuscheliges Sofa und Lebkuchen
Laura
Beiträge: 628
Registriert: Sa Jul 25, 2020 9:06 am

Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Laura »

Danke für den virtuellen Beistand!!! ☺️

Es gilt: einfach weiter tapfer bleiben. Und einfach weiter durchhalten. Wie immer... 🙄🥺
Laura
Beiträge: 628
Registriert: Sa Jul 25, 2020 9:06 am

Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Laura »

Ein weiteres Jahr ist geschafft! Es war einfach nur anstrengend! ME-CFS ist anstrengend! Verrücktes Leben!

Am 09.01.2017 ging die Reise los. 7 Jahre Therapie. Uff 20% meines Lebens habe ich damit verbracht, das zu reparieren, was meine Umwelt mir angetan hat. Schon ungerecht! Nur weil ein Täter ein paar Minuten ein Gefühl von Überlegenheit und Lustbefriedigung erlebt hat. Es sind Jahre, die einem gestohlen werden.

Und davor ein Leben, in dem man nicht sein volles Potenzial entfalten konnte… Dissoziation ist so gemein. So ein großes Unrecht. Sich nicht spüren, sich nicht wahrnehmen , die eigenen Bedürfnisse und Grenzen nicht wahrnehmen. Über die eigenen Verhältnisse leben.

So viele schöne Momente des Lebens konnten nicht in ihrer Fülle wahrgenommen werden. Hinter mir war immer ein dunkler Abgrund. Fast 30 Jahre immer wieder SG. Es ist beeindruckend, dass ich das ausgehalten habe. Ohne mich jemandem anzuvertrauen!

Es ist so großes Unrecht, dass der MB zwischen dem 03. und 5. LJ stattgefunden hat. Da entsteht Persönlichkeit. Und meine kleine Persönlichkeit ist in Anteile zersplittert worden. Einfach zerrissen. Zerrissenheit war mein Lebensgefühl. Heute weiß ich, dass ich wirklich zerrissen worden bin. Um das Leid auf mehrere Schultern aufzuteilen.

2023 war so unendlich anstrengend. Nach so vielen Jahren Therapie bin ich nun das 2. Jahr krank gewesen. Das ist so hart. Das Leben hat mich einfach auf ein Abstellgleis gestellt. Pause. Keine Kraft. Dinge, die für andere normal und selbstverständlich sind, waren es für mich nicht. Einkaufen, Saugen, Duschen, eine kleine Runde spazieren gehen. Das sind Tages-füllende Aktivitäten. Und irgendwie muss man ja auch noch Energie haben, um etwas zu essen zu machen. Oder aufzustehen und die Sushi Lieferung entgegen nehmen. Das will geplant sein.

Komisches neues Leben. Ich war immer aktiv, neugierig und wollte leben. Ich habe meinen Suizidgedanken etwas entgegen gesetzt. Ich habe gelebt in den letzten 10 Jahren. Reisen, Leistungssport, Tauchen, Paintball, Tough Mudder, Fallschirmspringen, Surfen, Sonnenuntergänge zelebrieren usw. coole Sachen!

Davor waren so viele Jahre, in denen ich einfach funktioniert habe, weil ich die Erwartungen meiner Familie erfüllen musste. Man hat nicht gesehen, was mir passiert ist. Man hat nur ein „bockiges Mädchen“ erlebt, dass lernen musste, sich zusammenzureißen und anzupassen. Hab ich gemacht. Jahrelang Mobbing in der Schule ertragen… Jahrelang weggeträumt. Meine Familie konnte nicht helfen und hat mir nahegelegt, die Schuld bei mir selbst und meinem Verhalten zu suchen. Trauma macht angreifbar. Selbstwert verschwindet, ein Opfer entsteht.
Und jahrelang habe ich die Probleme meiner Eltern auf meinen Schultern getragen… diverse Arten an Gewalt, die ich abbekommen habe. Auch unbeabsichtigt.

Ist es verwunderlich, dass der Körper irgendwann die Möglichkeit ergreift und in den Shut Down geht. Einfach mal Pause. Pause vom Leben.

Aber ohne Energie ist es auch wirklich nicht lustig. Diese unglaubliche Fatigue, schwere, Erschöpfung, absolute Energielosigkeit, Körperschmerzen. Eine schwere Grippe, die einfach 2 Jahre anhält. Und immer diese Angst, dass es schlimmer werden kann. Dass die Bettlägerigkeit kommt und man gar nichts mehr schafft. Tausende Euro Therapiekosten, Hunderte Stunden Therapie. Quälend langsame Fortschritte, Post Excertional Malaise, riesige Rückschritte, beängstigende Crashs. Der gelebte Alptraum!

Und als es dann in diesem Jahr langsam etwas besser geworden ist, da hat mein Unterbewusstsein gedacht, das Trauma nochmal hochzuspülen. In einer ganz neuen Dimension. Das Trauma ist im Körper gespeichert. Stundenlange Abreaktionen, Zittern, bitterliches, verzweifeltes Weinen. Manchmal war ich selbst schockiert von diesem weinen. Wer so weint, dem ist etwas sehr schlimmes passiert. Das kann man sich nicht einbilden! Ich trage keine Schuld! Ich wollte das nicht! Ich habe nichts falsch gemacht! Puuuuuhhh ich war so tapfer dieses Jahr! Ich habe so hart an mir gearbeitet. Und tapfer immer weiter Therapie gemacht. Neue Möglichkeiten recherchiert und ausprobiert. Es war hart!!!

Wie wird es nun weiter gehen? Werde ich wieder gesund? Schaffe ich es zurück in meinen Job? Wie viele Stunden werde ich überhaupt arbeiten können, ohne dass sich mein Zustand verschlechtert? Ich würde so gerne wieder zum Kickboxen, Klettern, Tauchen! Ich würde gerne einen Partner finden, ankommen, leben. Ich möchte die Vergangenheit loslassen und hinter mir lassen. Ein normales, gesundes Leben. Ohne Ballast und disfunktionale Anteile. Ein erfülltes, glückliches, zufriedenes Leben wünsche ich mir. Und Kinder. Es wäre schade, wenn ME-CFS mir das vorenthalten würde. Nie mehr gesund- das wäre ein Alptraum!

Ich wünsche mir, dass 2024 auf meiner Seite steht und nun alles besser wird. So hart, wie ich gekämpft habe, habe ich es definitiv verdient! Einfach leben!
Bao
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Registriert: Do Dez 14, 2023 2:42 pm

Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Bao »

Hallo Laura,

berührende Worte.
Ich wünsche dir von Herzen, dass 2024 so wird, wie du es dir wünschst.

Ich finde beeindruckend, wie gut du mit dir selbst umgehst in diesen Zeilen. Das war sicher ein großes Stück Arbeit.
Danke fürs Teilen hier. Das macht gerade auch was mit mir.

Bao.
Laura
Beiträge: 628
Registriert: Sa Jul 25, 2020 9:06 am

Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Laura »

Körpererinnerungen sind schon ne ziemlich krasse Sache. Ich hatte heute bei der Ayurveda Massage zugelassen, dass mein Hals berührt wird. Und auch dass beide Hände den Hals sanft umschließen. Ich wollte das ausprobieren, was passiert.

Das ging nur durch enormes Vertrauen und die großen Fortschritte der letzten Zeit. Erstaunlich finde ich, wie das sofort zu einem automatischen Bewegungsablauf geführt hat. Hände wegreißen, Abwehrhaltung, der Körper verkrampft sich. Das ist so tief gespeichert, dass diese Bewegung vollkommen ohne mein Zutun stattfindet und ich es auch kaum unterbrechen kann.

Vor geraumer Zeit gab es schon Mal, dass das unabsichtlich getriggert worden ist. Das hat zum sofortigen Abbruch der Massage geführt. Es war damals einfach zu krass. Direkt Flashbacks und Atemnot.

Jetzt konnte ich das deutlich mehr aushalten. Kein dissoziatives Aushalten, bei dem man nicht anwesend ist, sondern ein sehr präsentes Aushalten, Zulassen und hineinfühlen.

Die automatische Abwehrreaktion wurde mehrfach getriggert. Zwischendurch habe ich Mal kurz "Stopp" gesagt und wir haben sofort unterbrochen. Ich wurde aber nicht übermannt und hatte nie das Gefühl von Kontrollverlust oder Überflutung. Das war neu bei diesem sensiblen Thema! Da hängt schließlich Todesangst dran.

Das ist ein riesen Schritt! Und dieses automatische Bewegungsmuster wurde mit der Zeit auch weniger. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, dass mir die Luft abgeschnürt wird. Das hatte ich dafür schon diverse Male zuvor in der Therapie und auch bei meiner LSD Erfahrung.

Einfach ein starkes Unwohlsein und dieses automatische Bewegungsmuster. Keine Panik! Keine Todesangst! Tatsächlich gar keine Angst, wenn ich so drüber nachdenke.

Ich glaube das ist ein riesen Fortschritt!!! Ich freu mich!!! 😁

@Bao
Sorry für meine späte Antwort! Vielen lieben Dank für deine lieben Worte und Wünsche!!! Ich wünsche dir auch von Herzen alles Gute! 2024 ist ein gutes Jahr! 😁
Laura
Beiträge: 628
Registriert: Sa Jul 25, 2020 9:06 am

Re: Das Leben gestalten. Freiheit finden. Leben.

Beitrag von Laura »

Erneut habe ich mich den alten Triggern absichtlich ausgesetzt. Es wird erträglicher. Null Dissoziation, vollkommene Präsenz. "Spass" macht das trotzdem echt nicht! Sau anstrengend;

Und erneut kommem in den Tagen danach alte Emotionen hoch. Ich finde es erstaunlich, dass ein Mensch SO VIELE Emotionen in sich speichern kann. Es ist unendlich schmerzhaft und auch körperlich anstrengend. Immer wieder dieses Zittern. Seit neustem verkrampft die gesamte Hals-/ Nackenmuskulatur dabei. Das führt zu schlimmen Kopfschmerzen und tut echt weh. Wenn ich es unterdrücke, dann bin ich für Tage außer Gefecht gesetzt und die Kopfschmerzen werden von Tag zu Tag immer unerträglicher. Lasse ich es zu, geht es Schritt für Schritt besser.

Die Korrelation zwischen ME-CFS und dem Trauma besteht ganz sicher. Es ist krass, wie sehr es meine Kraft raubt, wenn ich Emotionen versuche zurück zu halten. Im Umkehrschluss vermute ich da immer mehr den Schlüssel des ganzen. Wenn ich weniger Energie dafür aufwende, um die Vergangenheit zu unterdrücken, dann hat mein Körper mehr Kraft, um sich selbst zu heilen.

Heute ist etwas erstaunliches passiert. Ich habe ein weiteres Mal zugelassen, was raus wollte. Es dreht sich alles darum, gewürgt und an den Handgelenken festgehalten zu werden. Ich habe mich selbst gesehen, wie meine Kleine da ausgeliefert gewesen ist. Und auf einmal ist sie einfach aufgestanden und hat den Täter von sich weggestoßen. Sie hat den Griff gelöst und sie hat ihn einfach von sich weg gestoßen. Er ist nach hinten aufs Sofa gefallen und konnte nichts mehr machen. Und meine Kleine hat sehr klar und deutlich gesagt: "Du kannst mir nicht mehr weh tun! Ich bin zu stark für dich! Ich habe keine Angst mehr vor dir!" Und er konnte einfach nichts mehr tun.
Ich habe mich selbst sehr deutlich gesehen, wie ich selbst hinter ihr stehe und meine Hand auf ihre Schultern lege.

Dann war der Spuk vorbei. Kein Weinen mehr. Keine Abreaktionen, weniger Körperschmerzen.

Das kam einfach, ohne dass ich es bewusst gesteuert hätte.

Ein weiterer Meilenstein? Auf jeden Fall Mal etwas anderes!
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