Weil mein Text, den ich für jemanden hier im Forum formuliert habe, irgendwie auch für mich selbst derzeit gut hier her passt und weil er eventuell auch anderen helfen könnte, möchte ich ihn nochmal hier stehen lassen.
Ich selbst hatte ja in meinem letzten Text hier gefragt:
Wenn ich fragen darf, wie hast du es geschafft mit vielleicht ähnlichen Erinnerungen umzugehen?
Vielleicht ist das auch ein bisschen meine eigene Antwort darauf, die auch für mich selbst passt.
Ich war eine ganze Zeit lang nicht dazu in der Lage etwas selbst für mich / uns zu tun bzw. war das mit Gefühlen verbunden dies nicht mehr zu können/ nicht mehr zu wollen / damit überfordert zu sein. Ich konnte mir auch nicht erklären wieso das plötzlich so war. Außer, dass ich dachte es war doch endlich mal genug und ich habe keine Kraft mehr.
Jetzt mit der Aufarbeitung erkenne ich auf uns bezogen immer mehr, dass es auch so ist, dass die Kleine von damals denkt, sie hätte keine Fürsorge etc. verdient. Sie hat die Schuld bei sich selbst gesehen.
Dann wiederum waren die Dinge, mit denen sie umgehen musste, viel zu groß. Damit kann kein Kind umgehen. Erst recht nicht alleine. Und sie musste es aber alleine schaffen. Auch wenn das unmöglich ist. Es hieß: Schaff es allein oder st*rb (auch). Es gab keine Wahl.
Und diese Gefühle waren plötzlich wieder da im Heute so präsent und nicht zu unterscheiden vom Damals.
Und gleichzeitig war/ ist da eine Kleine in mir, die das alles nie wieder fühlen wollte. Ich meine das, was hinter den gerade beschriebenen Gefühlen steht. Sie wollte es weder nochmal fühlen noch sich je wieder daran erinnern müssen. Bzw. wollte sie diese Erinnerungen nie teilen wollen, um damit nicht wieder so verdammt allein zu sein. Das hätte sie nicht nochmal ausgehalten.
Und dennoch waren all diese Gefühle und die Panik ständig unter der Oberfläche. Und mein kindlicher Beschützer aus der damaligen Zeit war ständig damit beschäftigt alles in Wut umzuwandeln, damit es ja nie dazu kommen wird jemals an die wahren Gefühle und Erinnerungen ranzukommen.
Die Wahrheit ist, das war auf seine eigene Weise noch schmerzhafter und mindestens genauso anstrengend.
Letztendlich war es eben doch ich als Erwachsene, die es geschafft hat den Kleinen im Innen klar zu machen, dass es heute anders ist. Dass ich als Erwachsene da bin, dass ich zuhöre, hinsehe und da bleibe. Das haben mir die Kleinen erstmal nicht zugetraut und ich als Erwachsene hatte auch Angst vor Überforderung, wollte es aber dennoch schaffen.
Dann kamen die Helferwesen zur Unterstützung dazu. Das war ein langer Prozess und ging auch nicht sofort.
Und es war auch nötig, dass ich zuerst in der Gegenwart mit EMDR einige Situationen so bearbeiten musste, dass ich mich in der Gegenwart wieder erwachsen fühlen und verhalten konnte. Das war nämlich abhanden gekommen und mehr oder weniger waren kindliche Teile aktiv und haben das Beschützen auch in der Gegenwart übernommen und dies geschah wie gesagt vor allem über Abblocken und Wut oder dann über ständige Überforderung und Weinen und sich allein fühlen.
Erst ganz ganz langsam in einem längeren Prozess ist mir bewusst geworden, dass ich in meinem Alltag erstmal wieder erwachsen werden muss. Und mich dann als Erwachsene diesen Emotionen der Kleinen zuwenden kann.
Das hat jetzt leider in etwa drei Jahre gedauert. Aber es war möglich. Ich bin immer noch nicht "fertig" damit, stecke noch in der Aufarbeitung von den ganz schlimmen Erinnerungen. Es gibt noch Phasen, die mich an meine Grenzen bringen. ABER für mich/ uns hat sich dieser Weg gelohnt. Neben all der Anstrengung, neben all dem Schmerz ist es jetzt so dennoch besser. Es hat sich die meiste Zeit über verändert. Ich kann jetzt neben dem Schrecken auch wieder Positives zulassen. Ich kann neben der gefühlten Ohnmacht in der Gegenwart auch wieder handlungsfähig sein. Ich kann neben der Angst und der Wut mich auch wieder erwachsen für meine Grenzen einsetzen.
Diese Veränderungen machen einen wesentlichen Unterschied für uns. Neben all dem Grauen wird das Leben gleichzeitig auch wieder lebenswert. Langsam, Schritt für Schritt.
Ohne Therapeutin hätte ich es nicht geschafft. Therapie empfinde ich als wichtig und gleichzeitig mit dieser Hilfe ins Erwachsene zurück zu finden, um sich auch selbst helfen zu können. So war es bei mir/ uns.
Wenn ich diese Arbeit der letzten Jahre, in denen es nochmal besonders intensiv war, in denen es Momente und Phasen gab, in denen ich dachte, ich würde es nicht schaffen... Wenn ich das hier nochmal lese, dann kann ich erstmal sehen und würdigen was das für ein Weg war...
Und gleichzeitig gibt es mir Mut es noch weiter zu schaffen. Auch mit diesen Erinnerungen umzugehen. Auch das wird seine Zeit dauern. Das darf es. Auch hier habe ich Rückschläge und schlechte Phasen. Es fällt mir schwer das anzunehmen. Aber es gehört wohl dazu.
A.Rhiannon