Gedankenraum - zu mir selbst finden

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Aufatmende
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Re: Gedankenraum - zu mir selbst finden

Beitrag von Aufatmende »

Schön, dass die Fragrn hilfreich waren.

Ich dachte jetzt eher an eine reale Situation in der Gegenwart. Stress Mut Kolleginnen oder so etwas. Drückst du da deinen Ärger aus oder bist sowieso automatisch du alles schuld?
Rückfälle sind Vorfälle!
A.Rhiannon
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Re: Gedankenraum - zu mir selbst finden

Beitrag von A.Rhiannon »

Liebe Aufatmende,

Danke nochmal fürs Erklären.
Ich dachte jetzt eher an eine reale Situation in der Gegenwart. Stress Mut Kolleginnen oder so etwas. Drückst du da deinen Ärger aus oder bist sowieso automatisch du alles schuld?
Ich denke, du meinst das in Verbindung hiermit:
Kannst du dir im Nachhinein vorstellen, was du hättest machen können, wenn du mal wieder die Wut gegen dich selbst statt gegen die, wo sie hingehört hätte, gerichtet hast?
Auch eine sehr gute Frage. Tatsächlich beziehe ich alle Schuld generell auf mich selbst. Sogar dann, wenn die eindeutige Rückmeldung von anderen ist, dass das doch nicht meine Schuld/ Verantwortung sei.
Noch schlimmer wird es, wenn ich zwar theoretisch rational weiß, dass ich keine Schuld/ Verantwortung habe, aber andere mir dennoch das Gefühl geben.
Ja... ein riesiges Übungsfeld...
Nein, ich kann mir nicht mal vorstellen, was ich in den Situationen mit der Wut der anderen oder meiner eigenen hätte machen können.
Obwohl... für einzelne Situationen vielleicht schon. Und gleichzeitig fühlt es sich aber verboten an...

Selbst wenn ich die Wut nur für mich selbst zeige und rauslasse, durch Bewegung oder was auch immer, und dann der Körper wieder krank wird, dann fühlt sich das verknüpfte Verbot noch immer so real an. Als würde es noch in der Gegenwart wirken.
Das Thema Wut und das Verbot sitzt anscheinend tiefer als ich dachte.

Hilft dabei "einfach" Übung? Sich in der Gegenwart langsam an die Wut rantasten und hoffen, dass es sich etwas sicherer anfühlt?
Dass der Körper zwar vielleicht schmerzt oder krank wird, aber wir noch leben und dass die Verknüpfung ein Schutz damals war, der heute aber nicht mehr notwendig ist?
Aber wie kommt das auch im Gefühl an, im Innen?



Hat noch jemand mit diesen Tagen, Wochen, Monaten Schwierigkeiten? Habt ihr einen guten Umgang damit gefunden? Wird es mit der Zeit besser/ anders? Was hilft euch?
Und diese Tage momentan sind sooo schwer...
Und ich weiß es geht noch Wochen...
Die nächsten paar Monate...
Das ist für uns immer irgendwie die schlimmste Zeit im Jahr...
Ich weiß ja wieso aber....
Und wieso jedes Jahr wieder? Immer noch?

Es geht an die Substanz...
Innen schreit es...
Ich versuche Sicherheit zu geben.
Gleichzeitig dennoch weiterhin zu funktionieren, weil es auch gleichzeitig Halt gibt.
Aber ich versuche auch etwas Pausen zu machen.
Der Körper ist unendlich müde und erschöpft... Auch der Körper schreit...
So unendlich anstrengend.

Und trotzdem gibt es kleine schöne Momente. Aber manchmal trotzdem noch die Angst in diesen Monaten es nicht zu schaffen. Dass diese kleinen Lichtmomente nicht im tiefschwarz Dunklen Innen ankommen...
Aber hoffen... Immer wieder...
So viele Fragen, tut mir leid. Antwortet natürlich nur, wenn Kapazität dafür da ist.

A.Rhiannon
"Wenn man ins Universum starrt, ist sein Mittelpunkt nur Kälte. Und Leere. Letztendlich sind wir dem Universum egal. Dem Universum und der Zeit. Deswegen dürfen wir einander nicht egal sein."

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Aufatmende
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Re: Gedankenraum - zu mir selbst finden

Beitrag von Aufatmende »

Auf der einen Seite habe ich gelernt, meine Wut in der Gegenwart auszudrücken, zuerst nachträglich, wenn ich mal wieder nicht reagiert habe, in der Vorstellung.
Dann vor einer Situation in der Vorstellung: was würde ich gerne tun, auch wenn es sich unmöglich anfühlt.
Zuletzt tatsächlich ausgeführt.

Auf der anderen Seite musste ich auch die Wut in der Vergangenheit gegen die Täter richten und sie bestenfalls umbringen. Das hat auch ewig gedauert, bis ich mir das erlauben konnte.
Oder mit einer Innenperson/ einem Anteil kleinere Übungen mit Wut in der Vorstellung oder der Realität machen.
Ein langer Weg!

Manchmal hilft es auch, wie bei der Schuld oder Scham, es an die Täter (in symbolischer Form) zurück zu geben.
Noch in der letzten Therapiesitzung habe ich meine Therapeutin gebeten, der betreffenden Innenperson zu sagen, dass sie sich nicht zu schämen braucht.
Manches ist sehr schwer ins eigene Gefühl zu übernehmen, auch wenn man es längst verstanden hat.
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Aufatmende
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Re: Gedankenraum - zu mir selbst finden

Beitrag von Aufatmende »

Was ist den konkret schlimm an den nächsten Monaten?
Gegen Lichtmangel hilft mir, mich genug draußen zu bewegen und es innen hell, auch mit Kerzen, zu haben.
Gegen Kälte hilft, warm genug anzuziehen, ggf. Auch mit Baumwollschal innen und eine ausreichende Innentemperatur.
Durchzug vermeide ich generell.
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A.Rhiannon
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Re: Gedankenraum - zu mir selbst finden

Beitrag von A.Rhiannon »

Liebe Aufatmende,

vielen Dank für die Tipps zum Umgang mit der Wut!
Das hier finde ich für die Gegenwart sehr gut.
Auf der einen Seite habe ich gelernt, meine Wut in der Gegenwart auszudrücken, zuerst nachträglich, wenn ich mal wieder nicht reagiert habe, in der Vorstellung.
Dann vor einer Situation in der Vorstellung: was würde ich gerne tun, auch wenn es sich unmöglich anfühlt.
Zuletzt tatsächlich ausgeführt.
Für die Vergangenheit muss ich mal schauen was für mich passt. Das ist auf einer anderen Ebene nochmal besonders schwierig... Aber danke für die Vorschläge!
Was ist den konkret schlimm an den nächsten Monaten?
Es sind die Tage, die Wochen bzw. Monate, die sich jähren. Die mit besonders schlimmen Erinnerungen.
Wo das Innen teilweise scheinbar in der Vergangenheit zu verschwinden scheint. Und wo das Licht der Gegenwart das Innen in der Vergangenheit kaum oder nicht zu erreichen scheint.
Ich meine nicht, dass die Tage kürzer werden und damit Licht fehlt. Ich meine diese tiefschwarze Dunkelheit im Innen.

Ich könnte die Frage auch anders stellen. Was hilft euch in den Zeiten, wenn die schlimmsten Erinnerungen wieder so nah zu sein scheinen?

Wie das Innen beruhigen? Wie, wenn die Kraft kaum zu reichen scheint? Wie das wieder und immer wieder tun? Wie helfen, wenn es kaum anzukommen scheint?
Wie mit den Gefühlen umgehen?
Wie mit der Kraft haushalten?
Wie trotzdem im Alltag funktionieren?
Und was, wenn diese Zeiten über Tage, Wochen bis Monate andauern?

A.Rhiannon
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Re: Gedankenraum - zu mir selbst finden

Beitrag von Aufatmende »

Mit sowohl - als auch.
Ich verzweifle heute an dem, was nicht heil wird und an dem, was ich immer noch nicht ohne meine Therapeutin kann.
Aber ich kann trotzdem zur Probe für einen Gottesdienst morgen gehen und eine gute Zeit mit meiner Freundin haben.
Ich entscheide mich, meine Hausarbeit liegen zu lassen und mich heute, wo mein Mann nicht da ist, nicht zu verabreden, um das Chaos im Innen zu ordnen.
Aber ich schwätze trotzdem mit unserer Mieterin und genieße das Essen, das ich heute nicht gekocht, sondern gekauft habe.
Ich helfe mit dem, was schon einmal geklappt hat und ich frage nach Innen, was noch helfen könnte. Ich habe gelernt, auch das, was nicht gelingt, verändert langfristig etwas, weil ich mich selber würdige und das, was mir passiert ist. So ähnlich wie bei einem Unfall, wo ein Ersthelfer nur die Hand hält und redet bis der Retrungswagen kommt. Das verändert die Verletzung nicht, hilft aber trotzdem.
Akzeptieren, dass ich nicht weniger Kraft habe als andere, sondern Unmengen davon aufbringen muss, um stabil zu bleiben. Wie bei einer neurologischen Krankheit wie Multiple Sklerose. Da verstehen auch manche Menschen nicht, wieso jemand einen Rollstuhl braucht, der doch laufen kann. Aber eben nicht lange, bis er total erschöpft ist.
Die Frage ist, ob der Alltag immer funktionieren muss. Was ist wichtig und unverzichtbar? Was ist mein eigener Anspruch und was der Umwelt? Wie oft bin ich krank im Vergleich zu anderen?
Sich zurückerinnern an andere Zeiten, die schwierig waren und ein Ende genommen haben. Sich die Frage stellen: Was ist anders? (Hoffentlich besser als beim letzten Mal) Die Fortschritte sieht man oft erst im Rückblick oder durch Kommentare anderer.
Wenn es dunkel ist, ist meine Aufgabe, das Licht zu suchen und nach Innen zu leiten. Was immer dann gerade Licht ist: Sonnenblumen, Schokolade, Musik, Spielen mit anderen, Tiere. Ich glaube, alles hat etwas mit Lebendigkeit, Sinneserfahrung und Gemeinschaft zu tun. Im Gegensatz zu früher, wo Todesangst, Erstarrung und Einsamkeit war.

Heute schreibe ich, um nicht abzustürzen.
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Re: Gedankenraum - zu mir selbst finden

Beitrag von A.Rhiannon »

Liebe Aufatmende,

vielen Dank für deine ausführliche Antwort und für die Zeit, die du dir dafür nimmst sowie danke für deine geteilten Erfahrungen.

Ich nehme für mich mit, dass es manchmal die Kleinigkeiten sind, die im Heute einen wesentlichen Unterschied machen können.

Dass man heute frei(er) ist das Leben insgesamt zu gestalten.
Dass es wichtig ist auf bereits bekannte Hilfen zurückzugreifen.
Dass Innenkommunikation wichtig ist. Immer wieder hinhören, nachfragen, sich Zeit nehmen.
Dass Pausen sowie ein achtsamer selbstfürsorglicher Umgang wichtig sind.
Zumindest vorübergehende Akzeptanz und Annehmen vom Ist-Zustand.
Gleichzeitig aber auch das Bewusstmachen von bereits erreichten Fortschritten. Und würdigen.

Und vor allem immer wieder die kleinen Lichtmomente nach Innen geben. Auch wenn es sich erst so anfühlt, als würde es nicht so richtig ankommen. Es trotzdem immer wieder neu versuchen. Und insgesamt macht es dann eben doch einen Unterschied.
Die Frage ist, ob der Alltag immer funktionieren muss. Was ist wichtig und unverzichtbar? Was ist mein eigener Anspruch und was der Umwelt? Wie oft bin ich krank im Vergleich zu anderen?
Das ist ein guter Punkt.
In meinem Kopf ist dabei glaube ich auch ein schwarz-weiß Denken verbunden. Ein ganz oder gar nicht. Es gibt keine Zwischenstufen.
Aber ja, es heißt ja eigentlich nicht, dass immer alles zu 100% funktionieren muss. Theoretisch. Auf mich bezogen fällt mir das extrem schwer so zu sehen. Bei anderen nicht, aber bei mir. Für andere ist da mehr Verständnis da. Für mich selbst besteht da ein Verbot.

Vielleicht dürfen Teile auch mal nicht funktionieren, müssen nicht 100% perfekt sein, müssen nicht 120% gegeben werden.
Weiß nicht, ist schwer. Ist irgendwie einerseits mit einer Existenzangst verknüpft. Quasi wenn es nicht perfekt ist, dann st*rben wir.
Auf der anderen Seite ist es ein Bedürfnis nach Anerkennung. Es ist mit dem Glauben verknüpft, wenn ich nicht alles 100% perfekt mache, bin ich nichts wert, sondern müsste bestr*ft werden und hätte auch keine Zuneigung verdient.
Irgendwie so.

Ja, grundsätzlich kann ich es rational erkennen. Das ist auf jeden Fall schon mal gut.
Aber im Gefühl kommt es noch nicht an. Ich kann es für mich selbst im Gefühl noch nicht ändern.
Ich kann mir nur rational sagen, dass es anders sein sollte. Ich kann für andere empfinden, dass es anders sein sollte. Aber für mich selbst kann ich es nicht fühlen.

Ich kann es für mich nicht im Heute fühlen und danach leben.
Wenn ich allerdings als Erwachsene auf die damaligen Situationen schaue, dann spüre ich einen Unterschied. Ich spüre als Erwachsene, dass ich damals keine Schuld hatte, dass die Schuld woanders hingehört. Ich spüre, dass es keine Situationen waren, in denen man "besser" hätte sein können. Dass es keine Wahl gab. Und dass der Kampf um irgendeine Zuneigung sowieso von vornherein verloren war, schon immer.
Ich empfinde Mitgefühl, Traurigkeit und Schmerz.

Aber aus Innenkindersicht ist es noch irgendwie verschoben. Nicht mehr ganz so schlimm wie in der Zeit, als der Erwachsenen noch jegliche Erinnerung gefehlt hat.

Gleichzeitig wurde aus bestimmten Gründen ein Leben lang nach diesen Glaubenssätzen gelebt. Und damals war Wiedersetzen tatsächlich leb*nsgef*hrlich.
Schwer sich davon zu lösen.

Aber ja, hier ist wahrscheinlich notwendig, was oben geschrieben steht.
Geduld haben.
Immer wieder nach Innen zeigen.
Kleine Unterschiede wahrnehmen.
Fortschritte würdigen.

Vielleicht ist das ein Anfang.

A.Rhiannon
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Re: Gedankenraum - zu mir selbst finden

Beitrag von A.Rhiannon »

Mir ist heute auch nochmal ein Bild der Kleinen in den Kopf gekommen. Sie fühlte sich damals schon so abgesondert von unbeschwerten Kindern. Natürlich nicht immer. Denn teilweise hat das Vergessen geholfen.
Aber innen drin gab es trotzdem immer irgendwo Ängste und Schmerz. Es war nie wirklich weg. Und sie hat nie wirklich dazu gehört.

Dieses Bild, dieses Gefühl ist jetzt auch wieder präsent. So fühlt sie sich noch heute.

Und gleichzeitig der Körper, der mir scheinbar sagen will was für eine Zeit ist, was für Monate und was das für uns bedeutet...
Körperschmerzen und extreme Müdigkeit die ganze Zeit.
Außerdem Erschrecken beim kleinsten Geräusch.
Gestern Abend auf dem Sofa gelegen. Theoretisch entspannt. Ein kleines knackendes Geräusch und eine zehntel Sekunde später stehe ich halb auf dem Sofa. Ja, nee ist klar, total entspannt...


Trigger



Aber ja, auf die Fortschritte fokussieren.
Sonst ist es die Zeit im Jahr, in der die Su*z*dalität am größten war. Wo es teilweise gefühlt so knapp war.
Das ist bisher noch nicht so schlimm. Aber die schlimmsten Tage kommen auch erst noch...

A.Rhiannon
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Re: Gedankenraum - zu mir selbst finden

Beitrag von Aufatmende »

Was wünscht sich die Kleine denn heute? Manches muss man immer wieder tun.

Die Geräuschempfindlichkeit kenne ich auch. Insgesamt wird es aber besser. Ich werde nicht mehr jede Nacht vom Klappen des Briefkastens wach, wenn die Zeitung kommt und habe schon mehrfach nicht gehört, wenn mein Mann später als ich ins Bett gegangen ist oder nachts aufsteht. Das wäre früher undenkbar gewesen.
Du könntest konkret fragen. Das würde bei mir im Nachhinein aber nicht mehr funktionieren. Wer hat sich gestern erschreckt und was braucht sie? Heute ist es sicher, ist bei sowas immer mein Standardsatz.
Geräuschempfindlichkeit hat auch Vorteile. Den Marder auf dem Dachboden habe ich sofort gehört :mrgreen:

Hast du einen konkreten Notfallplan für die schwierigen Tage? Wen kannst du anrufen, kannst du dich notfalls selbst einweisen, was machst du Schönes? Was braucht das Innen?

Musst du natürlich nicht alles beantworten!
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Re: Gedankenraum - zu mir selbst finden

Beitrag von A.Rhiannon »

Liebe Aufatmende,

vielen Dank für deine Antwort.
Was wünscht sich die Kleine denn heute? Manches muss man immer wieder tun.
Sie wünscht sich Ruhe und Sicherheit. Ganz, ganz, ganz, ganz viel davon.
Sie wünscht sich sichere Menschen, die sehen und verstehen und da sind. Die sich kümmern und beschützen.
Sie wünscht sich Lego spielen und Sticker kleben.
Sie wünscht sich ein richtiges Zuhause.

Ich versuche ihr in der Vorstellung und soweit wie möglich auch in der Realität das zu geben.
Also wir spielen z.B. Lego oder kleben Sticker in der Vorstellung oder auch in echt.
Sich wirklich gesehen und verstanden fühlen ist bei solchen Themen nicht so leicht. Aber es fühlt sich auch nicht mehr so schlimm allein an wie früher.
Und im Innen gibt es auch Helfer(wesen), die sich kümmern und versorgen und beschützen so gut sie können.
Du könntest konkret fragen. Das würde bei mir im Nachhinein aber nicht mehr funktionieren. Wer hat sich gestern erschreckt und was braucht sie? Heute ist es sicher, ist bei sowas immer mein Standardsatz.
Dass es heute sicher ist, versuche ich dann kurz darauf auch meist nach Innen zu geben. Und zeigen, dass wir heute ganz woanders sind.
Im Nachhinein zu fragen empfinde ich gerade auch schwer. Ich sehe immerhin ein Innenkind vor mir. Sehr erschrocken. Aber gleichzeitig auch so scheu, dass es dann recht schnell wieder verschwindet und auch nichts groß reden oder zeigen möchte.
Bedrängen möchte ich sie auch nicht. Ich glaube die Botschaft in Sicherheit zu sein, ist tatsächlich am wichtigsten.
Hast du einen konkreten Notfallplan für die schwierigen Tage? Wen kannst du anrufen, kannst du dich notfalls selbst einweisen, was machst du Schönes? Was braucht das Innen?
Also einen direkten Notfallplan habe ich nicht. Aber Dinge, die gut tun und Ressource sind. Die gab es früher so nicht.
Anrufen könnte ich eine Person.
Einweisen lassen möchte ich mich aufgrund verschiedener Gründe nicht. Möchte ich hier aber nicht genau erläutern. (Gleichzeitig habe ich heute Nacht immer wieder von einer Klinik geträumt.)

Was das Innen braucht habe ich oben schon geschrieben. Also das, was die Kleine braucht. Und insgesamt auch "einfach" Ruhe.
Theoretisch gesehen könnte man das zumindest vorübergehend scheinbar mit Klinik erreichen.
Aber für uns passt das (zumindest derzeit) nicht.

Am schwierigsten erscheint es die Ruhe zu bekommen. So viel Ruhe für Körper und Seele, dass richtig erholt werden darf und Kraft gesammelt werden darf.
Ich weiß, dass theoretisch das Funktionieren zumindest vorübergehend mal vernachlässigt werden sollte oder müsste. Aber das geht nicht. Oder ich erlaube es mir nicht. Am besten gar nicht.
Wobei sich das schon ein wenig gebessert hat. Wir müssen nicht mehr um jeden Preis und in jeder Situation funktionieren. Aber vom Gefühl her bräuchte ich deutlich mehr Erholung als ich es mir erlauben kann oder als dass es für "normale" Menschen von außen angemessen erscheinen würde.

Aber es gibt den Fortschritt, dass inzwischen Momente der Erholung und Momente, die Kraft geben, erlaubt sind. Und das ist im Vergleich zu früheren Jahren ein wichtiger Unterschied.

Vielleicht kann auch die Botschaft zu der Kleinen nach Innen gegeben werden, dass es für sie in Ordnung sein darf auf der einen Seite anders zu sein, andere Bedürfnisse zu haben als andere. Dass sie auch traurig und müde sein darf nach allem, was sie überlebt hat.
Dass sie aber für kurze selbst gewählte Momente auch dazugehören kann und darf.
Und dass sie aber auch ihre Bedürfnisse zeigen und ausdrücken darf. Vielleicht gibt es da die Möglichkeit von Absprachen, wann und wie etwas davon im Heute Raum haben darf und wie es versorgt wird bzw. damit umgegangen wird. Wie z.B. das Lego spielen.
Und wieder auf der anderen Seite kann vielleicht auch nach Innen gegeben werden, dass die kleinen Lichtmomente auch und besonders in dieser schweren Zeit erlaubt sind.

Vielleicht irgendwie so.
Es ist ein Versuchen und Rantasten.

A.Rhiannon
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Eli

Re: Gedankenraum - zu mir selbst finden

Beitrag von Eli »

Liebe a.rhiannon,

Das mit dem Wunsch nach Ruhe verstehe ich so gut. Und da einfach ganz viel von brauchen.am besten von Oktober bis Januar. Das verstehen wir so gut.
Die Jahreszeit ist furchtbar.
Das mit der inneren Dunkelheit verstehen wir auch so gut

Passt auf euch auf. Wir denken an euch
Würden gern mehr schreiben müssen aber schlafen.

Gute Nacht
Eli
Aufatmende
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Re: Gedankenraum - zu mir selbst finden

Beitrag von Aufatmende »

Ich brauche lautes Reden für Absprachen. Es reicht nicht im Kopf. Zeitlich ist das schwierig, je nachdem, wie klein das Kind ist. Wie sieht es mit gleichförmiger Bewegung aus? Manchmal kann ich ein kleines Kind wiegen, manchmal wiege ich mich schnell in die Dissoziation. Dann hilft manchmal seitlich, statt vor und zurück wiegen oder im Stehen wiegen. Das bringt in mir ei. Kleines Kind zur Ruhe. Und Summen oder Singen.

Du könntest dem scheuen Innenkind signalisieren, dass du da bist und wartest, bis es etwas von dir möchte und gelegentlich nach ihm schaust.
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A.Rhiannon
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Re: Gedankenraum - zu mir selbst finden

Beitrag von A.Rhiannon »

Liebe Eli,
vielen Dank für deine lieben Worte und fürs Verstehen. Ich wünsche euch auch alles Gute.

Liebe Aufatmende,
danke für deine Erfahrungen.
Für die Absprachen hilft es uns manchmal zu schreiben.
Die Bewegungen habe ich noch nicht versucht. Jetzt gerade fühlt der Körper sich nicht danach an, aber vielleicht kommt der Moment.
Du könntest dem scheuen Innenkind signalisieren, dass du da bist und wartest, bis es etwas von dir möchte und gelegentlich nach ihm schaust.
Das klingt sehr passend.



Die Nacht war furchtbar. Bei jedem Geräusch aufgewacht.

Wenn auch nachts keine Ruhe gefunden werden kann und nicht erholt werden darf, wie soll dann auch Kraft für die Alltagssachen da sein?

Der Körper zeigt seit heute wieder deutliche Krankheitssymptome. Aber funktioniert werden muss trotzdem...

Trigger




Habe heute Nacht dadurch immerhin mitbekommen, dass keine Ruhe haben für eine Kleine bedeutet st*rben zu müssen. Das löst ganz viel Angst, Panik, Verzweiflung aus.
Irgendwie so, wenn nicht wenigstens ein bisschen Ruhe gefunden wird, kann nicht richtig funktioniert werden und das ist dann gleichzusetzen mit dem T*d.

Also ist es im Endeffekt unter anderem die Angst davor zu st*rben, die mich zwingt weiter zu funktionieren...
Und gleichzeitig widerspricht es sich doch auch.
Wie kann man weiter funktionieren ohne durch Ruhe Kraft dazu zu sammeln?

Und außerdem gab es bei all der F*lter, bei all dem Grauen ja eh keine Ruhe. Und trotzdem musste dort funktioniert werden. Dort bei denen und im Alltag ja auch.

Ergibt das einen Sinn?

Und eigentlich ja durch kleine Schritte bewusst machen, dass die Folter heute vorbei ist. Das kommt nur irgendwie so gar nicht im Innen an...

A.Rhiannon
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Re: Gedankenraum - zu mir selbst finden

Beitrag von Aufatmende »

Wie man funktionieren kann ohne Ruhe und Kraft zu sammeln?
Indem man sich spaltet in einen Teil, der funktioniert und einen, der Angst hat und einen, der Schmerzen aushält und einen, der über allem schwebt und noch einen und noch einen und noch einen.
Und sie alle verliert.
Und lebt wie einarmig und einäugig
Jetzt hast du zwei Arme und zwei Augen wiedergefunden und jetzt ist Chaos.
Langsam wird es aber sowohl als auch.
Und das geht nur mit Ruhe.
Ich wusste, wenn ich den Deckel "meiner" Kiste öffne, könnte Chaos und Krankheit herauskommen. Leider ist das jetzt noch mehr volle Breitseite passiert, als ich befürchtete. Aber ich habe vorher nach Innen die Erlaubnis gegeben, dass es sein darf.

Liebe Kleine, die Folter ist vorbei. Die erzählt der Körper von der Großen, weil sie dir zuhört und sich um dich kümmert und dich mag. Kleine, ihr habt überlebt, weil du so stark und tapfer warst. Weil du gekämpft hast. Die Große hat sich dafür bestimmt schon bei dir bedankt. Die Große ist ganz erschöpft und möchte ausruhen. Heute geht das. Heute ist manchmal Frieden und man muss nicht kämpfen und nicht aufpassen. Man kann ruhig schlafen, tief und fest. Deshalb stirbt man nicht. Das war früher. Da bist du gestorben. Und weggegangen. Aber ihr habt zusammen überlebt für heute. Heute darf man ausruhen. Man muss nicht funktionieren. Man muss nicht gehorchen. Man darf laut sein und Quatsch machen. Kleine, ich kenne dich nicht. Aber ik mir ist auch eine Kleine. Die schläft schon. In einem rosa Himmelbett mit Watteschäfchen an der Decke. Das Bett steht auf Gras und darunter wohnen Kaninchen und Meerschweinchen. Das durfte ich dir erzählen, weil du sich so fürchtest. Ich hoffe, du konntest mir zuhören. Schlaf schön!
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Re: Gedankenraum - zu mir selbst finden

Beitrag von A.Rhiannon »

Liebe Aufatmende,

gestern haben wir es nicht mehr gelesen. Aber dafür heute.
Ganz ganz vielen Dank von uns allen für die lieben und hilfreichen Worte.
Und die Kleine hat erst über das Bett sehr gestaunt und sich dann sehr für deine Kleine gefreut.

Deine Worte kamen gut im Innen an.

Und wir wünschen dir weiterhin eine gute Besserung und passt auf euch auf.


Mal schauen wie die Nacht heute wird. Die letzte war wieder schwierig. Aber vielleicht darf diese Nacht etwas mehr ausgeruht werden.

Wir wollen positive Dinge am Oktober sammeln. Das, was wir positiv finden, damit es vielleicht etwas leichter wird.
Bunte Blätter.
Und vor allem Sonne mit bunten Blättern.
Und laufen und rascheln im Laub.
Und Kastanien.
Und Nebel.
Aber auch zu Hause einkuscheln in warme Pullis und Decken.
Warmes Kerzenlicht.
Buch lesen bei Regen.
Regen gucken.
Kakao.

Vielleicht kann Oktober ganz anders sein als früher...
Heute...

A.Rhiannon
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