Ich gehe hier nur von Interviews und Fragenlisten aus, da ich andere Anfragen in diesem Rahmen nciht sonderlich wahrscheinlich / passend finde.
Ethik und Sorgsamkeit bei psychologischen Untersuchungen
Der wichtigste Aspekt, vor allem bei Anfragen an Stellen wie dieser.
Normalerweise müssen jegliche Arten an Experimenten uä bestimmte ethische Normen erfüllen, und von einer Ethikkommision genehmigt werden! Ich bin mir nicht bewusst in wie weit so etwas auch bei nicht manipulierenden Untersuchungen nötig ist.
Wichtig ist aber auch der Umgang mit und die Verantwortung und Sorge gegenüber demjenigen der sich für die Untersuchung zur Verfügung stellt. Dass nichts angestellt werden darf dass demjenigen speziell Schaden zufügt, ist wohl deutlich. (Ich schneide nicht jemandem ein Bein ab, um zu schauen wie schnell er lernt auf Krücken zu laufen!) - Grade auf psychologischer Ebene ist das jedoch oft schwieriger, als man zunächst annimmt. Normalerweise ist bei sämtlichem solchen Umgang mit Patienten (normalerweise werden solche Untersuchungen eben an Kliniken durchgeführt, deswegen der Begriff so) diese auf ihre Stabilität eingeschätzt, es bestehen Möglichkeiten des Rückzugs/Abbruchs und der Hilfe für diese. Jemand der während eines solchen Interviews zB "abstürzt" bekommt also auch Hilfe von außen, es ist ein ausgebildeter Ansprechpartner hierfür (zB Therapeut) da. Normalerweise wird mit dem behandelnden Arzt oder Psychologen/Therapeuten vorher abgeklärt, inwiefern dieser den Patienten einschätzt auf Stabilität, und ob dies den Patienten nicht zurückwirft.
Es werden alle möglichen Dinge beachtet um für das Wohl des Befragten zu sorgen.
Krass gesagt: nichts davon ist per Internet möglich.
Du siehst deinem gegenüber bei einem ICQ-Interview nicht in die Augen, du kannst anhand von geschriebenem kaum merken, ob dieser zB abdriftet (Disso oä), ob es ihm merklich schlechter geht, wenn er dies nicht grade schriebt, usw. Du merkst nicht, wie einzelne Fragen ankommen - ob derjenige zB bei einigen Worten zusammenfährt, oder sonstiges.
Selbst wenn du mit bekommst dass es dem anderen schlecht geht, kannst du nicht eingreifen, nichts tun. Letztendlich kann dein Gegenüber sich nach dem Gespräch die Arme ***, und du bekommst nichts davon mit, und kannst nicht eingreifen.
Bei einem Fragebogen ist es für Teilnehmer etwas einfacher, sich dem ganzen zu entziehen, wenn es ihnen schwer fällt, als bei einem direkten Gespräch. Dennoch können auch durch solche Dinge (siehe die Reaktionen auf die "Checkliste für MB-Opfer zB) sehr aufwühlen!
Zudem ist bei sämtlichen über Email zu versenden Fragebögen, ICQ-Gesprächen usw die Anonymität der Personen die hier geschützt anonym schrieben möchten nicht mehr gegeben! Da dies ein offenes Forum ist kann WiWa keinerlei Kontrolle führen darüber wer sich anmeldet und Dinge erfragt, und zu welchem Zweck. Aus diesem Grunde sind auch Kontaktgesuche uä hier nicht erwünscht (seihe passenden Thread)
Eine Möglichkeit um hier überhaupt Untersuchungen zu machen wäre zB das Online-Setzen eines Fragebogens, der zB per PN zurückgesandt werden kann, oder direkt online ausgefüllt werden kann.
Methodik bei psychologischen Untersuchungen
Eine Untersuchung hat meistens zum Ziel eine Theorie zu überprüfen. Es gibt verschiedene Arten der Untersuchungen, unter anderem Experimentele, Quasi-Experimentele usw. Ich gehe hier nur von Interviews und Fragenlisten aus, da ich andere Anfragen in diesem Rahmen nciht sonderlich wahrscheinlich / passend finde.
Überprüfbarheit
Um eine solche Untersuchung wissenschaftlich zu halten ist vor allem relevant, dass die Untersuchung Überprüfbar ist, gewöhnlich bedeutet dass dass sie auf gleiche Weise und mit gleichen Mitteln wiederholt werden können muss, und vergleichbare Resultate liefern muss.
Dafür ist es wichtig ein bestimmtes Maß an Standardisierung zu gebrauchen für seine Untersuchung, zB sind ganz freie Interviews so gut wie nicht wiederholbar, strukturierte oder halb-strukturierte dagegen schon.
Auch bedeutet dies dass man zur Auswertung standardisierte Methoden gebraucht, und nicht zB bei jedem ausgefüllten Fragebogen den man zurückbekommt neu entscheidet wie man ihn einordnet. Die Art der Auswertung sollte vorher festgelegt werden, und sich auf dargelegte Theorien oder wissenschaftliche Definitionen usw stützen. Auch muss dieses so erklärt werden können, dass Außenstehende diese Methode der Auswertung problemlos anwenden können und zu den gleichen Ergebnissen kommen wie die Untersucher, es darf also keine subjektive Bewertung sein.
Auschließen von Störenden Faktoren
Ergebnisse können leicht verfälscht werden, wenn sich die Ausfüllenden zB nicht Anonym fühlen (Scham, das Gefühl "richtig" Antworten zu müssen), mit Anderen vergleichen (die sieht das nicht so schlimm, dabei war ihrs vieeel schlimmer als meins .. also muss ich meins auch hochwerten!) usw.
Beim Erstellen von Fragebögen müssen auch so einige Dinge beachtet werden, zB die Richtung in die die Fragen gestellt werden (zB immer hohe Wertung für etwas positives, und eine niedrige für etwas negatives, usw) - Menschen neigen nämlich oft dazu sich ehr auf einer Seite zu halten, bzw Fragen ähnlich zu beantworten. Das wird gewöhnlich ausgeschlossen in dem man Fragen sowohl positiv als auch negativ ausdrückt (zB: bist du Raucher? vs bist du Nichtraucher? (simplifiziert))
Interviews sollten gewöhnlich von Menschen abgenommen werden die darin geübt sind und wissen wie sie zB suggerierende Fragen vermeiden können. Es darf keine eigene Meinung des Interviewenden die Aussagen des Gegenübers beinflussen können. Fragen dürfen nicht so gestellt werden, dass nur eine Antwort "richtig" bzw "angebracht" erscheint... usw.
Es gibt hier noch vieeel mehr störende Faktoren und Methoden zum Ausschluß ebendieser, bitte lest euch dazu etwas an Literatur durch, bevor ihr anfangt!
Generalisierbarheit
Hauptziel einer Untersuchung ist normalerweise, die gefundenen Resultate generalisieren zu können, man will also nicht nur Aussagen über die x teilnehmenden Menschen treffen können sondern Schätzungen/Voraussagen machen können die auf alle Menschen eines gewissen Kriteriums zutreffen, zB alle MB Opfer in Dland, alle WiWa-Nutzer oä. Dafür muss man darauf achten dass die Menschen die man für seine zB Umfrage gebaucht, einigermaßen repräsentativ sind für die Gruppe über die man sprechen möchte. D.h ich kann keine algemeine Aussage über alle MB-Opfer machen wenn ich nur mit 13-jährigen weiblichen MB Opfern gesprochen. Bei der gleichen Umfrage unter älteren, jüngeren, oder zB männlichen Opfern kann etwas anderes herauskommen.
Hier in diesem Forum erreicht man zB nur die Menschen, die (1) ein Internet besitzen und gebrauchen (2) von ihrem MB wissen, ihn sich gegenüber eingestehen (3) bereit / fähig sind sich mit dieser Thematik zu beschäftigen, sich darüber aus zu tauschen.
Das ist schon eine große Einschränkung gegenüber "allen" MB-Opfern.
Zudem werden auf eine Umfrage nur Menschen antworten die sich zB bereit fühlen, über ihren Fall zu sprechen - eine weitere Einschränkung.
Insofern ist eine Umfrage die zB NUR in diesem Forum / nur in MB-Foren gemacht wird kaum repräsentativ für alle Opfer, sondern nur für eine recht kleine Gruppe, sehr viele "Arten" von Opfern sind dadurch schon ausgeschlossen.
Basiert auf:
Statistiek voor de Psychologie 1-4 (Jules Ellis)
Methoden en Technieken van onderzoek in de psychologie (Eric Marris)
Ethische Codes voor Psychologen (Karel Soudijn)
Practicumshandleiding Klinische Psychologie (Becker en Krouze)
Abnormal Psychologie (Noelen-Hoeksema)
Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Klinische_Studie
http://de.wikipedia.org/wiki/Experiment
http://de.wikipedia.org/wiki/Richtlinie_2001/20/EG
http://de.wikipedia.org/wiki/Richtlinie_2005/28/EG
http://de.wikipedia.org/wiki/Good_Clinical_Practice
http://de.wikipedia.org/wiki/Ethik-Kommission
Fazit
Ich weiß jetzt nicht warum du dir dies durchgelesen hast. Ursprünglich geschrieben habe ich dieses als Reaktion und Erklärung für Schüler, die "nur mal eben" für eine Facharbeit in das Thema "Missbrauch" reinschnuppern wollten. In diesem Fall hast du hoffentlich gemerkt dass du dir damit ganz schön viel vorgenommen hast! Ich würde für Fach- und sonstige Schularbeiten von direkt konfrontierenden Untersuchungen abraten - lese dir lieber Literatur zu dem Thema an, und basier dich darauf. (Wenn du glaubst dass ist zu viel Mühe: das müsstest du vorangehend an eine Untersuchung wie ein Interview oder eine Fragenliste auch tun! Und uU noch sorgfältiger!
Wenn du wirklich eine derartige Untersuchung machen willst nimm dir bitte die Nötige Zeit und Sorgfalt dafür, und wäge gut ab ob du wirklich Verantwortlich damit umgehen kannst. Du gehst hier mit Menschen um! Und nur weil du die Folgen die dein Tun hat nicht sehen kannst, heißt es nicht, dass es keine Auswirkungen hat!
Schattentanz,
in diesem Falle als Psychologiestudent im 4ten Semester.
Ethik + Sorgsamkeit bei psychologischen Anfragen +Interviews
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kleine Bärin hat geschrieben:Umgang mit Medien für Betroffene
Wenn ihr euch entschließt, mit eurer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen, also sie im Fernsehen oder Radio oder für eine Zeitung zu erzählen, kann das gut für euch sein. Muss es aber nicht. Ich habe mal zusammengefasst, wie eure Rechte dabei sind und was ihr beachten sollt/könnt, damit es auch so wird, wie ihr es euch vorstellt.
1. Lasst euch von dem Reporter genau erklären, wie er sich den Artikel/Beitrag vorstellt. Wer kommt darin außer euch noch zu Wort? Wie lang soll der Beitrag werden? In welchem Zusammenhang soll er erscheinen (also auch wo)? Gerade bei aktueller Berichterstattung können Interviews auch in mehr als einer Sendung zu sehen oder zu hören sein. Bedenkt auch, dass vieles ins Internet gestellt wird und damit lange zu finden ist.
2. Ihr habt das Recht, den Beitrag oder zumindest eure Aussagen noch einmal gegenzulesen – das nennt man autorisieren. Ihr könnt so auch Aussagen noch ändern oder dem Erscheinen gewisser Sätze Einhalt gebieten. Ihr müsst das nur vor dem Interview klären.
3. Niemand muss alles beantworten. Ihr habt jederzeit das Recht, Antworten zu verweigern, das Interview abzubrechen oder Pausen zu machen.
4. Ihr bestimmt über den Gesprächsort und die Länge des Gesprächs. Entscheidet euch für einen Ort, an dem ihr euch wohl fühlt.
5. Besprecht euch vor der Entscheidung für ein Interview am besten mit Freunden und/oder eurer Thera. Ihr könnt auch jemanden zu diesem Interview mitnehmen, der hinterher auf euch aufpasst.
6. Ein Interview ist anstrengend. Für euch und den Reporter. Er muss eine gute Geschichte machen und ist eventuell nervös, weil er nicht weiß, wie er mit dem Thema umgehen soll. Die Schulungen zu diesem Thema sind selten, der Reporter hat nur seinen eigenen Menschenverstand und sein Gefühl, wie weit er gehen kann und muss.
Und ihr erzählt einem Fremden eure Geschichte und werdet eventuell wieder in die Erinnerung geworfen. Der Reporter ist aber kein Psychologe und kann nicht unbedingt abschätzen, was für euch okay ist. Also schützt eure Grenzen.
7. Noch ein paar Worte zum Thema Fernsehen. Es heißt immer auch die Macht der Bilder. Auch bei den so genannten Schnittbildern habt ihr ein Recht mit zu entscheiden. Also ihr müsst euch nicht an bestimmten Orten filmen (das gilt auch für Fotos) lassen. Mal als Beispiel: das Opfer eines Verkehrsunfalls muss nicht mit dem Reporter zu dem Baum gegen den es mal gefahren ist. Es kann immer Nein sagen.
Zusammengefasst heißt das, tut nur so viel, wie euch gut tut, erzählt nur so viel wie euch gut tut und passt auf euch auf. Der Reporter kann das nicht und macht spätestens eine Woche später wieder ein anderes Thema. Das ganze hier soll übrigens niemanden abschrecken, an die Öffentlichkeit zu gehen, es soll nur ein paar Tipps geben, wie es euch auch danach gut gehen kann.
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