tabuthema suizid

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Die.Wolfsfrauen.
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Re: tabuthema suizid

Beitrag von Die.Wolfsfrauen. »

Wir haben uns gleich nach dem neuen Urteil damals sehr mit den drei uns bekannten Vereinen auseinandergesetzt und unserer Einschätzung nach ist es für psychisch erkrankte Menschen in Deutschland absolut unrealistisch, bei dem "Vorhaben Sterben" auf Unterstützung durch diese Vereine zu hoffen.
Soweit wir wissen, wurde das auch noch nie getan und auch das auf den entsprechenden Seiten zu lesende hört sich nicht danach an, dass es denen darum geht. Mal ganz abzusehen davon, dass das ganze Projekt insgesamt dann um die 10 000 Euro kosten würde- zumindest bei einem Verein wird diese Endsumme erwähnt. Ein Betrag, den wir zum Beispiel "oh Wunder" gar nicht haben- und selbst wenn wir ihn hätten, auch nicht haben dürften, da wir ja dieses "Hilfe"system/ Eingliederungshilfe in Anspruch nehmen und allein von daher "nur" 5000,- Euro haben dürften. Aber vielleicht könnten wir ja 'nen Kredit aufnehmen *Haha*- Zynismus wieder aus...
Puh- sind gerade wieder wütend, weil wir tatsächlich "gerne" diese Unterstützung annehmen würden und zwar weniger bzgl. der menschlichen Begleitung, sondern wegen des Medikaments und der würdigeren Form eines "Abgangs". Aber ohne Arzt bekommt manfrau (noch?) keinen Zugang zu diesem Medikament- auch das wurde schon versucht einzuklagen. Und was das für eine mediale Schlammschlacht das würde, wenn in Deutschland einem "nur" psychisch erkrankten Menschen durch wen auch immer dabei geholfen würde- also wir glauben nicht, dass manfrau da jemanden findet.
Und wieder einmal gibt es da also irgend so ein Gesetz auf dem Papier, das aber uns z.B. auch wieder einmal gar nichts nützt. Genauso wenig, wie unsere angebliches Recht auf "Teilhabe".
Sorry, falls wir mit diesem Geschreibsel irgendwen hier "vor den Kopf stossen", das ist nicht unsere Absicht... aber es musste jetzt doch raus... :oops: :roll:
Eli

Re: tabuthema suizid

Beitrag von Eli »

Hallo

Ja das wissen wir und wir finden das auch gut dass die Hürden bei psycho Dingen so hoch sind.
Zur Wahrheit gehört nämlich auch, auch wenn ihr das evtl nicht hören wollt, wolfsfrauen das man ansonsten ganz schnell chronisch psychisch kranken Menschen diese Art der "Hilfe" nahe legen würde. Davon bin ich überzeugt. Subtil natürlich aber wir verursachen immense kosten. So ist es und die Kassen werden immer leerer. Also wenn man die Hürden senkt heisst es nicht nur, dass man einfacher gehen könnte, sondern auch, dass einem dahingehend eher "geholfen" wird. Stichwort auch: Abwehr und loswerden wollen von schwer traumatisierten. Bin sicher der Mechanismus würde da auch wirken... Und das finde ich unethisch und absolut schrecklich.

Was wir nicht gut finden ist dass es nicht viel mehr und bessere Hilfen gibt. Dann würde nämlich auch kaum jemand mit komplex Trauma sterben wollen glaube ich.
Wenn man ausreichend Unterstützung hätte in Form von viel guter Traumatherapie ohne zwei Jahres Pause. Und gute Sozialpsychiatrische Unterstützung, traumasensible Kliniken und Psychiatrien.
Das müsste sich ändern. Aber wer sind wir uns das zu wünschen.

Eli
Aufatmende
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Re: tabuthema suizid

Beitrag von Aufatmende »

Wir sind Menschen. An uns wurden Schwerverbrechen verübt.

Ich habe bei OP und Reha einen freundlichen und achtsamen Umgang mit mir erlebt. Ich hatte vorher schriftlich mitgeteilt, was ich brauche und keinesfalls will. Mich natürlich entsprechend geoutet, mich vorsichtshalber aber nur als komplexe PTBS klassifiziert.

Im ganzen Gesundheitswesen arbeiten prinzipiell menschenfreundliche Leute, sonst hätten sie bei schlechter Bezahlung nicht diesen Beruf gewählt.
Rückfälle sind Vorfälle!
Eli

Re: tabuthema suizid

Beitrag von Eli »

Ja das ist die Theorie.
Einfach Mal Gegenübertragung bei Trauma googeln
Deshalb fliegen auch Menschen wie wir nie aus Kliniken betreuten wohnen Therapien etc...weil alle so reflektiert und menschenfreundlich sind. :roll:
Es gibt sehr viele Gegenbeweise hier im Forum...

Es gibt viele Gründe im sozialen Bereich zu sein. Außer Menschen freundlichkeit. Beispielsweise Narzissmus, macht über schwächere, Ablenkung von eigenen Problemen, sich wichtig fühlen.

Darüber hinaus gibt es zig Beispiele von emotionalen und körperlichen Misshandlungen an Patienten in Krankenhäusern Pflegeheimen etc
Willkommen in der Realität.
Es gibt positive Beispiele. Die habe ich auch. Es gibt aber auch sehr viele sehr negative. Und nein das ist nicht nur weil die ach so menschenfreundlichen vom System überfordert sind. Das wäre wirklich verkürzt.

Egal das ist Off topic.
Silberfee
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Re: tabuthema suizid

Beitrag von Silberfee »

Hallo Aufatmende,
Es freut uns, dass du so gute Erfahrungen gemacht hast.
Wir haben leider sehr oft das Gegenteil erlebt, obwohl wir auch offen gesagt haben, was wir brauchen oder was nicht.
Und das Täter in der Pflege arbeiten, haben wir auch erlebt.
Ja und wir haben häufiger schon das Gefühl gehabt, dass manche Menschen in der Pflege arbeiten, um Macht auszuüben.

Zum anderen Thema:
Wir haben uns auch schon mit Sterbehilfevereinen auseinandergesetzt. Wir verstehen auch, dass es nicht "einfach" sein darf, aber es frustriert, dass es als psychisch erkrankte Person nahezu aussichtslos ist, dort Hilfe zu bekommen.
LunaSue
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Re: tabuthema suizid

Beitrag von LunaSue »

Mich macht es gerade sehr betroffen, wie eine positive Erfahrung ins Negativ gezogen wird.
Auch, wie ein Berufsstand diskreditiert wird.
Das wäre ein eigenes Thema wert.
Das Leben selbst ist es, das dem Menschen Fragen stellt.
Er hat nicht zu fragen, er ist vielmehr der vom Leben her Befragte,
der dem Leben zu antworten - das Leben zu ver-antworten hat.

Viktor Frankl
lara64
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Re: tabuthema suizid

Beitrag von lara64 »

Vielen Dank Aufatmende und LunaSue!
Mich macht es gerade sehr betroffen, wie eine positive Erfahrung ins Negativ gezogen wird.
Auch, wie ein Berufsstand diskreditiert wird.
Das wäre ein eigenes Thema wert.
mich macht das nicht nur betroffen, sondern auch wütend und ich fühle mich hier im doppelten Berufssinn diskreditiert.


zum Thema "assistierter Suizid" finde ich es eher ein Armutszeugnis dieses Landes, dass ein Gesetz (26.02.2020) verabschiedet wird, und seine Rechtsverodnung seit drei Jahren auf sich warten lässt.
Wie immer Frau/Mann persönlich/ethisch/moralisch zu dem Gesetz steht, es wurde verabschiedet. Dann sollte dem Gesetz auch eine aus dem Ethikrat herausgehende Rechtsverordnung erlassen werden. Um für alle Beteiligten eine Handlungssicherzeit zu etablieren.

Wenn Suizid eben kein Tabu mehr sein soll, müssen wir auch offen darüber diskutieren können und das beinhaltet für mich auch, dass Informationen weiter gegeben werden.
Alleine durch die Info, dass es Vereine gibt die Menschen bei ihrem Wunsch nach "assistiertem Suizid" begleiten, werden doch keine Menschen auf den Gedanken/Idee gebracht sich zu suizidieren. Dann müssten ja sämtliche Prosa- und Lyrikwerke bei denen manchmal sehr deutlich Suizide benannt werden verboten werden.

Zumal es ja, wie bereits festgestellt, auch mit Hilfe der Vereine nach wie vor nicht so einfach ist, von seinem Recht gebrauch zu machen.

Dass es in Deutschland nach wie vor eher an sozial-therapeutischen Hilfemaßnahmen gibt, um solche suizidalen Krisen zu überwinden, steht auf einem anderen Blatt.

Shalom-lara64
Eli

Re: tabuthema suizid

Beitrag von Eli »

Also sorry wo wird ein ganzer Berufsstand diskreditiert.
Es gibt wie überall gute und schlechte Erfahrungen.
Das darf und sollte gesagt werden und das liest man hier mit Verlaub seit Jahren. Das gute UND das schlechte.
Da würde ich mir mehr Distanz wünschen. Und ja mich betrifft es auch persönlich.
Nur das gute zu sehen ist schwarz weiss. Genau wie es schwarz weiss ist nur das negative zu sehen.
Aber ihr würdet mir ja wohl Recht geben dass es nicht nur Menschenfreundliche Leute im sozialen Bereich gibt? Das zu glauben ist schon Recht naiv.

Naja so Vereine sind keine abstrakte Idee so wie ein Roman. Sondern ganz klar ein Hinweis wo man es wirklich durchziehen kann. Und klar werden in Romanen suizide benannt aber außer wir springen vom Dach was banal ist sind genaue Angaben nicht umsonst nicht erlaubt.

Unsere thera verbietet zb die Kontaktaufnahme zu solchen vereinen. dann ist die Therapie beendet. Das macht sie also nicht umsonst so.
Und Wildwasser ist immer noch ein Verein zur Hilfe zum Leben. Und nicht zum Sterben. Denke ich. Sagt mir wenn es anders ist. Das kann man an Zig stellen im Netz diskutieren. Das muss nicht hier sein. Ihr tut ja gerade so als gebe es keinen Ort wo man das diskutieren könnte.

Eli
lizzy

Re: tabuthema suizid

Beitrag von lizzy »

lara hat geschrieben:Dann müssten ja sämtliche Prosa- und Lyrikwerke bei denen manchmal sehr deutlich Suizide benannt werden verboten werden.
Es gibt den „Werther-Effekt“ - nach Goethes „Die Leiden des jungen Werther“ wo von manchen von ausgegangen wurde, dass der Roman eine „Suizid-Welle“ ausgelöst hat.
Wird aber auch kontrovers heute diskutiert.
Auf jeden Fall gab es deswegen in manchen Städten ein zeitweiliges Verbot.
Dass in den Medien bei Berichten von Suiziden, äußerst kurz nur berichtet wird, mit Hinweisen auf Hilfsmöglichkeiten im Anschluss direkt dabei, dürfte aber wegen möglicher Gefahr weitere Suizide damit auszulösen sein.

Damit will ich nicht sagen, dass ich für ein komplettes Buch-Verbot in der Richtung bin, ist mir aber dazu eingefallen.
LunaSue
Moderator
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Re: tabuthema suizid

Beitrag von LunaSue »

Ja, es gibt immer den Hinweis in unserer Lokalpresse, dass darüber nur berichtet wird,
wenn es zu Information der Allgemeinheit über allgemeine Folgen für die Bürger der Stadt gibt.
Zum Beispiel bei Straßensperrungen an Knotenpunkten in der Innenstadt, wie es hier schon vorkam.
Natürlich möchte man Nachahmung verhindern, indem man bestenfalls gar nicht berichtet.

Aus der Erwähnung der Vereine hat sich eine Reihe von Informationen ergeben.
Eine Mischung aus Meinung und Fakten.
Das ist aus meiner Sicht der Sinn des Themas und des Forums: über ein Tabuthema zu sprechen.

Damit würde ich die Diskussion darüber in dieser Stelle beenden, denn dafür gibt es andere Orte,
so dass der Austausch nicht gestört wird.

Viele Grüße
LunaSue
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Viktor Frankl
Aufatmende
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Re: tabuthema suizid

Beitrag von Aufatmende »

Eli, ich habe gegoogelt. Hat mich nicht weitergebracht.
Grundsätzlich habe ich auch als schwerst Traumatisierte täglich die Entscheidung, ob ich meinem alten Muster aus Misstrauen und Angst folge oder ob ich mich wenigstens denkend für Vertrauen entscheide. Die Gefühle folgen in Mikroschritten mit Rückschlägen.
Es ist auch meine Verantwortung, ob ich meiner Therapeutin alle wütenden Abwertungen an den Kopf werfe oder ob ich nur rückmelde, dass es sie gibt. Oder Gedanken, die Therapie zu beenden, mittendrin aus dem Raum zu gehen usw.
Wir haben bisher alle Komplikationen dieser Art -und davon gab es reichlich- erfolgreich gemeistert.
Letztlich läuft es auf das altbekannte: "Welchen Wolf füttere ich?" hinaus.
Rückfälle sind Vorfälle!
Aufatmende
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Re: tabuthema suizid

Beitrag von Aufatmende »

Sorry, hat sich überschnitten.
Rückfälle sind Vorfälle!
Eli

Re: tabuthema suizid

Beitrag von Eli »

Hallo aufatmen,

ich hoffe ich darf dann auch noch antworten.
Naja es gibt Studien dass es bei Trauma Patienten zu spezifischen Gefühlen bei Therapeuten etc., kommt. Man nennt das auch eine besondere Form der Gegenübertragung. Das sind zb der tiefe wunsch solche Patienten loszuwerden...Wut und abwertung ihnen gegenüber.
Die gibt es in den Ausmaß und der stärke bei anderen Patienten so nicht. Davon schreibt zb auch Herr sachsse in seinen Büchern.
Das erklärt sich dadurch dass man unbewusst das Trauma der Patienten loswerden und sich nicht mit der Gewalt auseinander setzen will. Was menschlich und normal ist.
Diese Gefühle müssen reflektiert werden damit es nicht zu impulsiven und unprofessionellen Entscheidungen kommt wie beispielsweise einem Patienten mit Trauma zu unterstellen er wolle keine Therapie etc. Auch wenn er es eigentlich möchte. Davon erzählen zb auch manche Biografien hier, von Menschen, die dutzende Therapeuten durch haben, aber nirgendwo ankommen. Da kann man sagen die sind unfähig, zu krank, wollen nicht....man kann aber auch die Frage stellen, ob nicht in extremer Form solche Gefühle der Gegenübertragung bei den Therapeuten wirken...

Wenn man ständig so gut reflektieren könnte gebe es keine Trigger und kein Hochstress. Aber ja du hast Recht. Man kann kämpfen und es versuchen so gut man es eben kann. Einen Freiraum hat man. Wie gross der ist hängt von vielem ab.
Selbiges gilt natürlich für den Umstand wie und ob ich meine Wut äußere. Es soll Anteile geben die nicht sonderlich gut zu steuern sind. :wink: aber ja wir arbeiten vermutlich ähnlich daran wie ihr auch.
Mir fehlt gerade nur irgendwie die Verbindung zum Thema.
Dass man Eigenverantwortung hat als Patientin steht wohl außer Frage. Das haben aber Therapeuten und andere helferInnen genauso.
Die.Wolfsfrauen.
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Re: tabuthema suizid

Beitrag von Die.Wolfsfrauen. »

Wir "müssen" jetzt trotz Deiner "Bitte" (LunaSue) zu dem Thema schreiben, dass wir uns mundtot-gemacht fühlen.
Und dass es eben keinen anderen Ort gibt, um sich darüber auszutauschen möchten wir auch noch sagen (zu Eli).
Auch wenn wir vermutlich gar nichts mehr gesagt hätten zu dem Thema... denn zum Schweigen gebracht wurden wir so oft, dass es inzwischen so sehr zu einer "innernen Wahrheit" geworden ist, dass wir immer mehr und mehr schweigen.
Reden hilft nämlich gar nicht... also auch an dieser Stelle:
:-X
Phileas
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Registriert: Mi Jul 06, 2022 9:38 pm

Re: tabuthema suizid

Beitrag von Phileas »

ich sehe das ähnlich @Wolfsfrauen und das ein Austausch zu dem Thema Suizid hier oder generell schwierig ist und das es schwer zu verstehen ist, dass es eben Menschen gibt, die lieber sterben wollen, aber leben müssen, weil Gesetze zu einem "assistierten Suizid" einen dazu zwingen nach jahren des Kampfes, des hilfe in Anspruch nehmens bis zu einem natürlichen Tod weiterhin sich durchquälen zu müssen ,auch wenn man selbst den Glauben an "Heilung" verloren hat, aber es klingt eben besser, wenn man mit 90 an Altersschwäche stirbt, als mit 30 oder älter durch assistierten Suizid. und das betrifft nicht nur psychisch kranke Menschen. Ein Tier wird eingeschläfert, ein Mensch wird künstlich am Leben gehalten. Ich glaube, jetzt werde ich wieder das machen, was ich am besten kann-schweigen.
Füge dich der Zeit, erfülle deinen Platz und räum ihn auch getrost: Es fehlt nicht an Ersatz!
-Friedrich Rückert-
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