von Gast » Sa Okt 01, 2022 8:34 pm
Hi Wolfsfrauen,
ich glaube, ich kann ein bisschen helfen. Ich hoffe, die Mod stellt das hier online. ????
Wir haben das nämlich grade mit unserem Traumatherapeuten und verstehen endlich die Zusammenhänge. Das Meiste war mir ja klar, aber das in Bezug auf die Ekelgefühle und Schamgefühle nicht.
Es ist alles eigentlich ganz einfach und logisch. Ich weiß nicht, ob ich Euch helfen kann, aber ich versuche es. Vielleicht greift es bei Euch, damit es Euch besser geht. So ein Text in einem Forum kann keine Therapie ersetzen, aber vielleicht kann ich doch ein Wenig was beisteuern, damit Ihr Euch erholt.
Also....
Wenn Ihr sowas anliegen habt wie Körperpflege, Körperhygiene, dann triggert das natürlich das, was früher Euch angetan wurde. Und dann kommt eben beim Entkleiden Schamgefühle und bei Berührung Ekelgefühle und dann wird das alles furchtbar und Angst ist sicher auch dabei und andere Gefühle.
Der Hintergrund dafür ist eigentlich so banal und klar wie Kloßbrühe. Mich wundert, dass niemand früher drauf gekommen ist, wieso das alles so passiert.
Der Hintergrund ist Evolutionsbiologie. Gefühle sind früher in unserer Entwicklung überlebensnotwendig gewesen. Durch Gefühle konnte unsere Art, der Mensch, leichter und eher überleben. Wir bekommen Angst, wenn was gefährlich ist, und vermeiden es, bleiben weg. Das macht uns zwar Angst und Angst ist unangenehm, aber sie schützt uns vor schweren Verletzungen und Tod. So überlebte der ängstliche Mensch leichter und länger, bekam Kinder und unsere Art konnte so fortbestehen. PTBS, Trauma, das alles sind an sich sinnvolle Reaktionen, um den Körper davor zu schützen, was ihn vernichten könnte bzw. unsere Art.
Bei Schamgefühlen und Ekel ist es auch so. Sie schützen uns. Wir ekeln uns, damit wir reinlich sind. Das schützt uns vor Krankheiten. Deshalb haben wir Ekel- und Schuldgefühle durch alle Evolutionsstadien der Menschheitsgeschichte hindurch behalten. Wir haben unsere Urinstinkte. Wo wir auf die Toilette gehen, wollen wir nichts essen. Wenn alle an einem Tisch sitzen und einem wird davon schlecht, hört die ganze Gruppe instinktiv auf, zu essen, denn das Essen könnte verdorben sein und wir krank werden. So ist das. Es ergibt alles einen Sinn, wenn man weiß, was dahinter steht.
Wenn wir unsere Kleidung ablegen, legen wir eine Schutzschicht ab. Allein das Entkleiden kann schwierig sein, wenn wir uns wo nicht sicher fühlen und ausgeliefert sind.
Das Durchbrechen oder Überschreiten von Körpergrenzen setzt unseren Körper in absolute Alarmbereitschaft, erst recht, wenn es mit Schmerzen und weiterem Ausgeliefertsein und Kontrollverlust kombiniert ist. Alles, was unsere Körpergrenze überschreitet und von uns unerwünscht ist oder unkontrollierbar, das ist die absolute Bedrohung, weil es für unseren Körper Verletzungsgefahr/Todesgefahr/Verunreinigung mit Krankheiten oder krankmachenden Substanzen darstellt. Und die Gefühlsreaktion kommt unweigerlich als Antwort: Angst, Ekel, Scham, Schock usw.
Das alles ist auch Ergebnis von biologischen und chemischen Prozessen und Kettenreaktionen im Körper und der Körper wird mit Stresshormonen geflutet, die dann ins die Dissoziation treiben, ins Switchen.
Was kann man dagegen tun oder dafür tun, dass es besser wird?
Es geht darum, Eure Körpergrenzen und Eure Grenzen allgemein besser zu schützen und sich sicherer im eigenen Körper zu fühlen, sicherer zu fühlen, wo ihr lebt.
So ein Wohnheim ist nicht der geeignete Platz für Euch, denn da seid ihr sehr ausgeliefert. Aber das ist nun mal Fakt, dass ihr dort erst mal seid. Also ist es wichtig, mit denen dort zu reden und ihnen zu sagen, dass sie Eure Grenzen mehr beachten sollen. Dh, dass Ihr z.B. mit ihnen ausmachen könntet, dass Sie zu Euch nur nach telefonischer Voranmeldung kommen oder zu klar angesetzten Zeiten und nicht einfach so, wann es bei ihnen passt. Schnappt Euch dort den Zuständigen, meist ist das ein Sozialarbeiter oder eine Sozialarbeiterin und erklärt den Zusammenhang. Zur Not kopiert ihr hier die wichtigen Passagen und sagt, eine Freundin, die ebenfalls Traumapatientin ist, hätte Euch das geschickt. Je mehr ihr Euch dort ausgeliefert fühlt, je weniger eigene Kontrolle und Entscheidungsbefugnisse man Euch lässt und je weniger Ihr selbst bestimmt, desto mehr Stresshormone habt ihr im Blut und desto weniger könnt Ihr heilen.
Sicherheit und Selbstbestimmung ist das A und O. Wo könnt Ihr einen sicheren Platz finden, wo ihr denen sagt, dass sie Euch dort in Ruhe lassen sollen, dass das sozusagen Eurer absoluter Rückzugsort ist, der für die tabu ist? Das solltet ihr ganz selbstbewusst mit denen besprechen. Es geht nicht darum, dass man gesagt bekommt: "Hier sind Sie doch sicher!". Das wäre eine Kopfsache und bringt nix. Wo ist der Ort, wo sich der Körper sicher fühlt? Das ist das Entscheidende. Und wenn es keinen Ort gibt, wo sich der Körper ganz sicher fühlt, wo im Körper fühlt es sich noch am sichersten an? Es gibt sicher einen Bereich im Körper, der sich sicherer anfühlt als andere? Dann wäre es wichtig, dort hinzuspüren und dabei zu bleiben, vielleicht auch diesen Bereich im Körper bewegen und ihm Raum lassen, sich darin verankern.
Und vielleicht gibt es auch den Wunsch oder die Sehnsucht, eine bestimmte Körperhaltung einzunehmen oder eine bestimmte Bewegung zu machen, auszuführen. Z.B. kann es sein, dass man in eine Schutzhaltung gehen will, sich zusammenrollt. Der Körper weiß normalerweise, was dran ist, wenn man auf ihn hört. Es könnte sein, dass er in eine Schutzhaltung gehen will und sich zusammenrollt. Das macht er, wenn er die Weichteile im Körper schützen will, er weiß, wo wir am verletzlichsten sind und schützt automatisch diese Bereiche, wenn wir ihn lassen.
Vielleicht ist es auch, dass man jemanden, der einem zu nahe gekommen ist, wegschieben will, wegstoßen will oder zuschlagen will, dann führt man diese Bewegung mit dem Körper aus, es reicht, sie symbolisch auszuführen, langsam, gezielt und das wahrnehmen. Dadurch kann sich was in einem ändern, es kann nach und nach besser werden.
Es kann auch sein, dass der Körper sich erholen will. Man kann sich bequem hinsetzen und vielleicht in einem Stuhl einfach mal nach hinten lehnen, sich entspannen, den Kopf nach hinten fallen lassen, die Muskeln locker lassen und das einfach spüren und verankern.
Wichtig sind sichere Beziehungen. Vielleicht gibt es bei Euch in dem Wohnheim einzelne Leute, die Euch sympathischer sind als andere, wo die Chemie stimmt? Mit einzelnen Personen kann man immer besser als mit anderen. Und mit diesen Leuten könntet ihr langsam solche Dinge angehen, immer wieder was besprechen und so langsam findet ihr dann vielleicht einen Weg, wo Euch die lassen, auch in Ruhe lassen und ihr mehr und mehr in die Eigenverantwortung gehen könnt, für Euch selbst sorgen könnt. Je mehr Sicherheit gefühlt und erlebt wird, garantiert wird, desto weniger wird die Dissoziation sein und desto eher gelingen wieder die Dinge, die man jeden Tag machen muss und will.
Es ist ein langer Prozess, wieder Sicherheit zu erleben. Und oft ist es erst mal wichtig, sich mit sich selbst zu befassen, als dass man im Außen Beziehungen hat. Das kommt später, wenn es einem besser geht. Jeden Tag einen kleinen Minischritt nach vorne. Und irgendwann geht vielleicht alles Mögliche wieder.
Ich sehe das alles nicht so rabenschwarz. Und in dieser verrückten Welt weiß momentan keiner, wie seine Zukunft aussieht. Alles wird sich ändern. Die Klimakrise kam so schnell und mit voller Wucht. Vor fünf Jahren wollten nur alle reich sein und große Autos fahren, Sozialstaat war out. Und jetzt kämpfen alle auf dem gleichen Planeten. Leute wie Bill Gates stiften ihr ganzes Vermögen, weil sie die Umwelt retten wollen, weil sie kapiert haben, dass all ihr Geld nichts nützt, wenn man nicht mehr atmen kann und kein Wasser mehr hat und 55 Grad Hitze Außentemperatur. Altersforscher sagen voraus, dass wir bis 80 - 90 Jahre berufstätig sein werden müssen und in der Ukraine tobt der Krieg. Ganz ehrlich: Im Moment kann man froh sein, wenn man nicht bald als radioaktiv verstrahlter Mensch abkratzen muss...
Martin Luther hat gesagt:
"Wenn ich wüßte, dass morgen die Welt untergeht,würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.".
Als Kind habe ich das nie verstanden. Aber inzwischen verstehe ich das schon.
Und es ist nun Zeit, dass wir nicht nur ein Apfelbäumchen pflanzen, sondern ganz viele!!!!
Was hat Luther uns als Botschaft mit diesem Bild gegegeben?
Er hat gesagt:
Egal, wie verzweifelt die Lage ist, man sollte immer aktiv bleiben und für die Zukunft etwas tun, handeln, aktiv bleiben, man soll versuchen, was zu tun, an die Zukunft glauben, die aktuell sehr gefährdet scheint und er hat damit ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass man im Angesicht der größten Not und Gefahr, der größten Verzweiflung sich Hoffnung geben soll, selbst wenn es keinen einzigen Grund gibt, Hoffnung zu haben. Hoffnung ist, wenn man dran glaubt, dass alles gut wird, selbst wenn alles dagegen spricht. Hoffnung muss man auch aus dem Nichts schöpfen. Das ist wahre menschliche Größe und Überlegenheit. Der Halt muss aus einem selbst kommen und auch angesichts der größten Angst und des größten Schreckens dürfen wir uns nicht in die Knie zwingen lassen und müssen schauen, wo wir weiter machen können, auch wenn es schwer ist und wir mutlos sind.
Ich weiß, dass es weiter geht und noch viel kommt. Ich würde derzeit keinen einzigen Traumapatienten abschreiben oder ihm sagen, dass er keine Zukunft hat. Wir haben alle eine Zukunft, egal, wie sehr wie lädiert und beschädigt sind. Auch wenn die finanzielle Situation für viele für uns nicht rosig ist... All das kann sich ändern. Medizin macht Fortschritte. Gesellschaft ist ein stares Wesen, aber trotzdem veränderungsfähig. Wer vor 30 Jahren schwul war, weiß, dass die Gesellschaft sich änderte und ändern kann. Das, was heute normal ist, war früher undenkbar und doch ist es so gekommen und geworden, was früher utopisch war.
Lasst Euch nicht mehr so Angst einjagen von alledem. Genießt Euer bisschen Leben ab und zu. Gegen die ganze Einsamkeit hilft oft, wenn man sich angewöhnt, regelmäßig Serien im TV zu schauen. Anfangs ist es schwer. Aber für das Gehirn ist es egal, ob es echte Menschen sind oder nicht, man gewöhnt sich an diese Menschen, an ihre Stimme usw.... Irgendwann hilft sowas beim Auftanken. Musik kann helfen. Tiergestützte Therapie kann helfen. Alles Mögliche kann helfen.
Es ist Zeit, zurückzufinden ins Leben und nicht in den Schmerz und den Tod und in die Angst.
So kleine geschundene Innenkinder sehnen sich oft nach einem guten sicheren Schlafplatz oder Fernsehplatz oder dass sie umsorgt werden. Das alles kann man sich auch vorstellen und langsam eine innere Welt erschaffen, wo sie aufgehoben sind. Die meisten Kinder entwickeln - um zu überleben - eine Phanatsiewelt. Auch die kann man wieder entdecken und dort eintauchen. Das kann sehr entspannen und beim Auftanken helfen. Viele Kinder entwickeln Gewaltphantasien, um mit dem, was sie quält, fertig zu werden. Auch das ist erlaubt, da wieder einzutauchen, solange es nicht realisiert und umgesetzt wird!!!!! Diese ganzen Traumabücher mit dem sicheren Ort sind einfach nur unrealistisch und Quark. Das, was sich im Gehirn als Kompensation abspielt, ist voller Gewalt. Nix mit Schaukeln und Burgen als sicherer Ort. Nee, wer wirklich gequält hat, hat ganz andere Sachen als Kompensation im Hirn. Das weiß man auch aus der Forschung. In Eurer Phanatsie seid ihr frei, ihr könnt Euch vorstellen, was auch immer Euch gut tut und sei es noch so krank, so irre, so kompliziert und nicht salonfähig.
Wenn es erst mal keine andere Möglichkeit gibt, mit der Gewalt, die Ihr erlebt habt, fertig zu werden, dann ist das auch ok.
Vieles, was in schlauen Büchern steht, was manche Therapeuten sagen, ist einfach nur völlig weit weg von dem, wie es in echt läuft und ist.
Und zum Glück gibt es auch echt gute Traumatherapeuten, die einem wirklich weiterhelfen können.
Und auch Ihr werdet über kurz oder lang überall was mitkriegen, jemanden finden, der nochmal ganz anders helfen kann, als ihr es bisher erlebt.
Da kommt so viel Neues. Die ganze Welt forscht und sie forscht immer besser. Ich kann heute nicht mal sagen, ob es nicht in ein paar Jahren Realität wird, dass die Leuten, die schwersttraumatisiert sind, nicht einfach in der Neurochirurgie am Gehirn operieren und der ganze Spuk ist vorbei. Das kann kommen. Das wird in der Neurochirurgie und biologischen Psychiatrie immer mehr diskutiert und ich halte es für ein wahrscheinliches Szenario, dass uns das - neben vielen anderen Behandlungsmöglichkeiten - irgendwann zur Verfügung gestellt wird.
Medizin entwickelt sich vorwärts und immer entlang der technischen Entwicklung. Wir sind hier alle nicht am Ende. Wir sind am Anfang!
Und bei manchen Leuten muss man einfach weghören, weil die erzählen manchmal Sachen, die sind einfach nicht richtig und diese Leute klingen halt nur sehr überzeugend, weil sie selbst dran glauben(wollen). Für Trauma wird das noch nicht so diskutiert, aber für Sucht und andere Störungen sind klar Überlegungen da, diese Patienten per Gehirn-Op zu behandeln und zu operieren. Es ist kein geringerer als unser Super-Neurochirurg Prof. Peter Vajcozy, der das schon in aller Öffentlichkeit thematisiert hat. Und ich kenne derartige Erwägungen in Bezug auf Trauma von anderen Fachärzten, die das als letztes Mittel neben EKT in Betracht ziehen. EKT wirkt bei Depressionen immer, auch wenn alles Andere nicht mehr hilft. ABER die Risiken bei EKT sind extrem hoch. Ich würde das nicht machen lassen. Aber daneben gibt es vielleicht andere Behandlungs-Optionen, die man verantworten kann, wenn ein Mensch andernfalls an Angst, Schock und Schmerzen zugrunde geht.
Ich weiß, es klingt so vieles davon abgefahren. Aber Ihr wisst auch nicht, was ich so alles weiß und wen ich so alles kenne.
Ich wünsche Euch nur das Beste, Ihr habt es verdient. Ihr seid wertvoll, so, wie ihr seid, mit allem, was zu Euch gehört.
PS
Mit diesen Bestätigungscodes werde ich noch verrückt!!
Hi Wolfsfrauen,
ich glaube, ich kann ein bisschen helfen. Ich hoffe, die Mod stellt das hier online. ????
Wir haben das nämlich grade mit unserem Traumatherapeuten und verstehen endlich die Zusammenhänge. Das Meiste war mir ja klar, aber das in Bezug auf die Ekelgefühle und Schamgefühle nicht.
Es ist alles eigentlich ganz einfach und logisch. Ich weiß nicht, ob ich Euch helfen kann, aber ich versuche es. Vielleicht greift es bei Euch, damit es Euch besser geht. So ein Text in einem Forum kann keine Therapie ersetzen, aber vielleicht kann ich doch ein Wenig was beisteuern, damit Ihr Euch erholt.
Also....
Wenn Ihr sowas anliegen habt wie Körperpflege, Körperhygiene, dann triggert das natürlich das, was früher Euch angetan wurde. Und dann kommt eben beim Entkleiden Schamgefühle und bei Berührung Ekelgefühle und dann wird das alles furchtbar und Angst ist sicher auch dabei und andere Gefühle.
Der Hintergrund dafür ist eigentlich so banal und klar wie Kloßbrühe. Mich wundert, dass niemand früher drauf gekommen ist, wieso das alles so passiert.
Der Hintergrund ist Evolutionsbiologie. Gefühle sind früher in unserer Entwicklung überlebensnotwendig gewesen. Durch Gefühle konnte unsere Art, der Mensch, leichter und eher überleben. Wir bekommen Angst, wenn was gefährlich ist, und vermeiden es, bleiben weg. Das macht uns zwar Angst und Angst ist unangenehm, aber sie schützt uns vor schweren Verletzungen und Tod. So überlebte der ängstliche Mensch leichter und länger, bekam Kinder und unsere Art konnte so fortbestehen. PTBS, Trauma, das alles sind an sich sinnvolle Reaktionen, um den Körper davor zu schützen, was ihn vernichten könnte bzw. unsere Art.
Bei Schamgefühlen und Ekel ist es auch so. Sie schützen uns. Wir ekeln uns, damit wir reinlich sind. Das schützt uns vor Krankheiten. Deshalb haben wir Ekel- und Schuldgefühle durch alle Evolutionsstadien der Menschheitsgeschichte hindurch behalten. Wir haben unsere Urinstinkte. Wo wir auf die Toilette gehen, wollen wir nichts essen. Wenn alle an einem Tisch sitzen und einem wird davon schlecht, hört die ganze Gruppe instinktiv auf, zu essen, denn das Essen könnte verdorben sein und wir krank werden. So ist das. Es ergibt alles einen Sinn, wenn man weiß, was dahinter steht.
Wenn wir unsere Kleidung ablegen, legen wir eine Schutzschicht ab. Allein das Entkleiden kann schwierig sein, wenn wir uns wo nicht sicher fühlen und ausgeliefert sind.
Das Durchbrechen oder Überschreiten von Körpergrenzen setzt unseren Körper in absolute Alarmbereitschaft, erst recht, wenn es mit Schmerzen und weiterem Ausgeliefertsein und Kontrollverlust kombiniert ist. Alles, was unsere Körpergrenze überschreitet und von uns unerwünscht ist oder unkontrollierbar, das ist die absolute Bedrohung, weil es für unseren Körper Verletzungsgefahr/Todesgefahr/Verunreinigung mit Krankheiten oder krankmachenden Substanzen darstellt. Und die Gefühlsreaktion kommt unweigerlich als Antwort: Angst, Ekel, Scham, Schock usw.
Das alles ist auch Ergebnis von biologischen und chemischen Prozessen und Kettenreaktionen im Körper und der Körper wird mit Stresshormonen geflutet, die dann ins die Dissoziation treiben, ins Switchen.
Was kann man dagegen tun oder dafür tun, dass es besser wird?
Es geht darum, Eure Körpergrenzen und Eure Grenzen allgemein besser zu schützen und sich sicherer im eigenen Körper zu fühlen, sicherer zu fühlen, wo ihr lebt.
So ein Wohnheim ist nicht der geeignete Platz für Euch, denn da seid ihr sehr ausgeliefert. Aber das ist nun mal Fakt, dass ihr dort erst mal seid. Also ist es wichtig, mit denen dort zu reden und ihnen zu sagen, dass sie Eure Grenzen mehr beachten sollen. Dh, dass Ihr z.B. mit ihnen ausmachen könntet, dass Sie zu Euch nur nach telefonischer Voranmeldung kommen oder zu klar angesetzten Zeiten und nicht einfach so, wann es bei ihnen passt. Schnappt Euch dort den Zuständigen, meist ist das ein Sozialarbeiter oder eine Sozialarbeiterin und erklärt den Zusammenhang. Zur Not kopiert ihr hier die wichtigen Passagen und sagt, eine Freundin, die ebenfalls Traumapatientin ist, hätte Euch das geschickt. Je mehr ihr Euch dort ausgeliefert fühlt, je weniger eigene Kontrolle und Entscheidungsbefugnisse man Euch lässt und je weniger Ihr selbst bestimmt, desto mehr Stresshormone habt ihr im Blut und desto weniger könnt Ihr heilen.
Sicherheit und Selbstbestimmung ist das A und O. Wo könnt Ihr einen sicheren Platz finden, wo ihr denen sagt, dass sie Euch dort in Ruhe lassen sollen, dass das sozusagen Eurer absoluter Rückzugsort ist, der für die tabu ist? Das solltet ihr ganz selbstbewusst mit denen besprechen. Es geht nicht darum, dass man gesagt bekommt: "Hier sind Sie doch sicher!". Das wäre eine Kopfsache und bringt nix. Wo ist der Ort, wo sich der Körper sicher fühlt? Das ist das Entscheidende. Und wenn es keinen Ort gibt, wo sich der Körper ganz sicher fühlt, wo im Körper fühlt es sich noch am sichersten an? Es gibt sicher einen Bereich im Körper, der sich sicherer anfühlt als andere? Dann wäre es wichtig, dort hinzuspüren und dabei zu bleiben, vielleicht auch diesen Bereich im Körper bewegen und ihm Raum lassen, sich darin verankern.
Und vielleicht gibt es auch den Wunsch oder die Sehnsucht, eine bestimmte Körperhaltung einzunehmen oder eine bestimmte Bewegung zu machen, auszuführen. Z.B. kann es sein, dass man in eine Schutzhaltung gehen will, sich zusammenrollt. Der Körper weiß normalerweise, was dran ist, wenn man auf ihn hört. Es könnte sein, dass er in eine Schutzhaltung gehen will und sich zusammenrollt. Das macht er, wenn er die Weichteile im Körper schützen will, er weiß, wo wir am verletzlichsten sind und schützt automatisch diese Bereiche, wenn wir ihn lassen.
Vielleicht ist es auch, dass man jemanden, der einem zu nahe gekommen ist, wegschieben will, wegstoßen will oder zuschlagen will, dann führt man diese Bewegung mit dem Körper aus, es reicht, sie symbolisch auszuführen, langsam, gezielt und das wahrnehmen. Dadurch kann sich was in einem ändern, es kann nach und nach besser werden.
Es kann auch sein, dass der Körper sich erholen will. Man kann sich bequem hinsetzen und vielleicht in einem Stuhl einfach mal nach hinten lehnen, sich entspannen, den Kopf nach hinten fallen lassen, die Muskeln locker lassen und das einfach spüren und verankern.
Wichtig sind sichere Beziehungen. Vielleicht gibt es bei Euch in dem Wohnheim einzelne Leute, die Euch sympathischer sind als andere, wo die Chemie stimmt? Mit einzelnen Personen kann man immer besser als mit anderen. Und mit diesen Leuten könntet ihr langsam solche Dinge angehen, immer wieder was besprechen und so langsam findet ihr dann vielleicht einen Weg, wo Euch die lassen, auch in Ruhe lassen und ihr mehr und mehr in die Eigenverantwortung gehen könnt, für Euch selbst sorgen könnt. Je mehr Sicherheit gefühlt und erlebt wird, garantiert wird, desto weniger wird die Dissoziation sein und desto eher gelingen wieder die Dinge, die man jeden Tag machen muss und will.
Es ist ein langer Prozess, wieder Sicherheit zu erleben. Und oft ist es erst mal wichtig, sich mit sich selbst zu befassen, als dass man im Außen Beziehungen hat. Das kommt später, wenn es einem besser geht. Jeden Tag einen kleinen Minischritt nach vorne. Und irgendwann geht vielleicht alles Mögliche wieder.
Ich sehe das alles nicht so rabenschwarz. Und in dieser verrückten Welt weiß momentan keiner, wie seine Zukunft aussieht. Alles wird sich ändern. Die Klimakrise kam so schnell und mit voller Wucht. Vor fünf Jahren wollten nur alle reich sein und große Autos fahren, Sozialstaat war out. Und jetzt kämpfen alle auf dem gleichen Planeten. Leute wie Bill Gates stiften ihr ganzes Vermögen, weil sie die Umwelt retten wollen, weil sie kapiert haben, dass all ihr Geld nichts nützt, wenn man nicht mehr atmen kann und kein Wasser mehr hat und 55 Grad Hitze Außentemperatur. Altersforscher sagen voraus, dass wir bis 80 - 90 Jahre berufstätig sein werden müssen und in der Ukraine tobt der Krieg. Ganz ehrlich: Im Moment kann man froh sein, wenn man nicht bald als radioaktiv verstrahlter Mensch abkratzen muss...
Martin Luther hat gesagt:
"Wenn ich wüßte, dass morgen die Welt untergeht,würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.".
Als Kind habe ich das nie verstanden. Aber inzwischen verstehe ich das schon.
Und es ist nun Zeit, dass wir nicht nur ein Apfelbäumchen pflanzen, sondern ganz viele!!!!
Was hat Luther uns als Botschaft mit diesem Bild gegegeben?
Er hat gesagt:
Egal, wie verzweifelt die Lage ist, man sollte immer aktiv bleiben und für die Zukunft etwas tun, handeln, aktiv bleiben, man soll versuchen, was zu tun, an die Zukunft glauben, die aktuell sehr gefährdet scheint und er hat damit ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass man im Angesicht der größten Not und Gefahr, der größten Verzweiflung sich Hoffnung geben soll, selbst wenn es keinen einzigen Grund gibt, Hoffnung zu haben. Hoffnung ist, wenn man dran glaubt, dass alles gut wird, selbst wenn alles dagegen spricht. Hoffnung muss man auch aus dem Nichts schöpfen. Das ist wahre menschliche Größe und Überlegenheit. Der Halt muss aus einem selbst kommen und auch angesichts der größten Angst und des größten Schreckens dürfen wir uns nicht in die Knie zwingen lassen und müssen schauen, wo wir weiter machen können, auch wenn es schwer ist und wir mutlos sind.
Ich weiß, dass es weiter geht und noch viel kommt. Ich würde derzeit keinen einzigen Traumapatienten abschreiben oder ihm sagen, dass er keine Zukunft hat. Wir haben alle eine Zukunft, egal, wie sehr wie lädiert und beschädigt sind. Auch wenn die finanzielle Situation für viele für uns nicht rosig ist... All das kann sich ändern. Medizin macht Fortschritte. Gesellschaft ist ein stares Wesen, aber trotzdem veränderungsfähig. Wer vor 30 Jahren schwul war, weiß, dass die Gesellschaft sich änderte und ändern kann. Das, was heute normal ist, war früher undenkbar und doch ist es so gekommen und geworden, was früher utopisch war.
Lasst Euch nicht mehr so Angst einjagen von alledem. Genießt Euer bisschen Leben ab und zu. Gegen die ganze Einsamkeit hilft oft, wenn man sich angewöhnt, regelmäßig Serien im TV zu schauen. Anfangs ist es schwer. Aber für das Gehirn ist es egal, ob es echte Menschen sind oder nicht, man gewöhnt sich an diese Menschen, an ihre Stimme usw.... Irgendwann hilft sowas beim Auftanken. Musik kann helfen. Tiergestützte Therapie kann helfen. Alles Mögliche kann helfen.
Es ist Zeit, zurückzufinden ins Leben und nicht in den Schmerz und den Tod und in die Angst.
So kleine geschundene Innenkinder sehnen sich oft nach einem guten sicheren Schlafplatz oder Fernsehplatz oder dass sie umsorgt werden. Das alles kann man sich auch vorstellen und langsam eine innere Welt erschaffen, wo sie aufgehoben sind. Die meisten Kinder entwickeln - um zu überleben - eine Phanatsiewelt. Auch die kann man wieder entdecken und dort eintauchen. Das kann sehr entspannen und beim Auftanken helfen. Viele Kinder entwickeln Gewaltphantasien, um mit dem, was sie quält, fertig zu werden. Auch das ist erlaubt, da wieder einzutauchen, solange es nicht realisiert und umgesetzt wird!!!!! Diese ganzen Traumabücher mit dem sicheren Ort sind einfach nur unrealistisch und Quark. Das, was sich im Gehirn als Kompensation abspielt, ist voller Gewalt. Nix mit Schaukeln und Burgen als sicherer Ort. Nee, wer wirklich gequält hat, hat ganz andere Sachen als Kompensation im Hirn. Das weiß man auch aus der Forschung. In Eurer Phanatsie seid ihr frei, ihr könnt Euch vorstellen, was auch immer Euch gut tut und sei es noch so krank, so irre, so kompliziert und nicht salonfähig.
Wenn es erst mal keine andere Möglichkeit gibt, mit der Gewalt, die Ihr erlebt habt, fertig zu werden, dann ist das auch ok.
Vieles, was in schlauen Büchern steht, was manche Therapeuten sagen, ist einfach nur völlig weit weg von dem, wie es in echt läuft und ist.
Und zum Glück gibt es auch echt gute Traumatherapeuten, die einem wirklich weiterhelfen können.
Und auch Ihr werdet über kurz oder lang überall was mitkriegen, jemanden finden, der nochmal ganz anders helfen kann, als ihr es bisher erlebt.
Da kommt so viel Neues. Die ganze Welt forscht und sie forscht immer besser. Ich kann heute nicht mal sagen, ob es nicht in ein paar Jahren Realität wird, dass die Leuten, die schwersttraumatisiert sind, nicht einfach in der Neurochirurgie am Gehirn operieren und der ganze Spuk ist vorbei. Das kann kommen. Das wird in der Neurochirurgie und biologischen Psychiatrie immer mehr diskutiert und ich halte es für ein wahrscheinliches Szenario, dass uns das - neben vielen anderen Behandlungsmöglichkeiten - irgendwann zur Verfügung gestellt wird.
Medizin entwickelt sich vorwärts und immer entlang der technischen Entwicklung. Wir sind hier alle nicht am Ende. Wir sind am Anfang!
Und bei manchen Leuten muss man einfach weghören, weil die erzählen manchmal Sachen, die sind einfach nicht richtig und diese Leute klingen halt nur sehr überzeugend, weil sie selbst dran glauben(wollen). Für Trauma wird das noch nicht so diskutiert, aber für Sucht und andere Störungen sind klar Überlegungen da, diese Patienten per Gehirn-Op zu behandeln und zu operieren. Es ist kein geringerer als unser Super-Neurochirurg Prof. Peter Vajcozy, der das schon in aller Öffentlichkeit thematisiert hat. Und ich kenne derartige Erwägungen in Bezug auf Trauma von anderen Fachärzten, die das als letztes Mittel neben EKT in Betracht ziehen. EKT wirkt bei Depressionen immer, auch wenn alles Andere nicht mehr hilft. ABER die Risiken bei EKT sind extrem hoch. Ich würde das nicht machen lassen. Aber daneben gibt es vielleicht andere Behandlungs-Optionen, die man verantworten kann, wenn ein Mensch andernfalls an Angst, Schock und Schmerzen zugrunde geht.
Ich weiß, es klingt so vieles davon abgefahren. Aber Ihr wisst auch nicht, was ich so alles weiß und wen ich so alles kenne.
Ich wünsche Euch nur das Beste, Ihr habt es verdient. Ihr seid wertvoll, so, wie ihr seid, mit allem, was zu Euch gehört.
PS
Mit diesen Bestätigungscodes werde ich noch verrückt!!